Unsinnige Vergleiche wurden in der Vergangenheit oft zwischen Print und Online vorgenommen. Insbesondere dann, wenn es darum geht die analoge und die digitale Reichweite einer Medienmarke gegenüberzustellen.

Selbst der weltweit bewunderten „Innovation Report“ der New York Times enthielt an einer Stelle baren Unsinn. „Print steht nur für einen kleinen Prozentsatz unserer Leser“, stand dort. Die Verfasser hatten die damals 50 Millionen Nutzer der Website nytimes.com mit den fünf Millionen Lesern der gedruckten New York Times verglichen. Dumm nur: Die Printleserzahl bezog sich auf den (Erscheinungs-) Tag, während die Zahl der Leser im Netz auf Daten basierte, die die Firma Comscore für einen ganzen Monat auswies.

Reichweitenvergleiche: Mögliche Fehlerquellen

Bei uns sind solche Fehlinterpretationen ebenfalls möglich: Zum Beispiel, wenn Daten aus Media-Analyse und AGOF-Statistik zu Vergleichszwecken herangezogen werden. Kai Diekmann, damals noch Bild-Chefredakteur, ist Anfang 2015 der gleiche Fehler wie den Strategen der New York Times unterlaufen. Er verglich in einer via Twitter verbreiteten Grafik die tägliche Reichweite der gedruckten Bild-Zeitung mit der monatlichen Reichweite von bild.de. Klar, dass bei diesem Vergleich bild.de weit vorn lag.

Reichweiten von Medienmarken: So geht’s richtig


Vergleicht man jedoch die tagesdurchschnittliche Reichweite von bild.de aus den digital facts der AGOF mit dem LpA-Wert der Media-Analyse von Bild, kommt man nach aktuellem Stand zu dem Ergebnis, dass die Zeitung mit 9,96 Millionen Lesern reichweitenstärker ist als die Website mit 3,98 Millionen Nutzern.

Anders bei der Welt, die ebenfalls im Axel Springer Verlag erscheint: Hier kommt das digitale Angebot mit 1,60 Millionen täglich auf mehr als doppelt so viele Leser wie die Printausgabe mit 700.000. Relativ ausgeglichen ist das Verhältnis bei anderen überregionalen Tageszeitungen. Die Süddeutsche Zeitung hat 1,13 Millionen Printleser und im Tagesdurchschnitt 1,03 Millionen Digital-Leser. Bei der F.A.Z. sind es 690.000 Printleser und tagesdurchschnittlich 880.000 Millionen Digital-Leser. Beim Handelsblatt sind beide Zahlen ganz eng beieinander: 380.000 Millionen lesen eine durchschnittliche Ausgabe der Zeitung, 350.000 nutzen im Tagesdurchschnitt die digitalen Angebote.

Gewisse Schwächen haben auch diese Vergleiche, doch sind die weniger gravierend: Erstens besteht die Woche aus sieben Tagen, während die Zeitungen nur werktäglich erscheinen beziehungsweise börsentäglich im Falle des Handelsblattes. Zweitens sind die Erhebungszeiträume der Studien zeitlich nicht synchronisiert.

Bei Wochentiteln gibt es nur das zweitgenannte Manko. Wenn man aktuelle LpA-Werte aus der Media-Analyse mit den Wochendurchschnitten der AGOF vergleicht, stellt man fest, dass die Marken SpiegelFocus und Zeit digital höhere Reichweiten erzielen, während der Stern in Print stärker ist. Bemerkenswert ist die Konstellation bei den People MagazinesBunte erzielt analog mehr Reichweite als digital, bei Gala ist es umgekehrt.

 

Als Basis für alle Reichweitenmessungen von Medienmarken dienen Kontakte der Menschen mit den unterschiedlichen Werbeträgern: mit Zeitungen und Zeitschriften auf der einen Seite und Websites oder Apps auf der anderen. Selbstverständlich lässt sich nun mit guten Gründen argumentieren, dass Kontakt nicht gleich Kontakt sei. Doch der Kontakt ist eben Ausgangspunkt für alle weiteren Analysen.

Der Autor

Dr. Uwe Sander
Dr. Uwe Sander
Der gelernte Volkswirt arbeitete nach einigen Jahren in der empirischen Wirtschaftsforschung von 1984 bis 2014 in verschiedenen Funktionen beim Verlag Gruner+Jahr, u.a. für die Titel Capital, Stern, GEO und Art. Heute ist er freiberuflich als Autor und Berater tätig. Sein besonderes Interesse gilt der Entwicklung des digitalen Journalismus.