In Sachen Brand Communities stehen Magazinmarken Playern wie Harley-Davidson oder Apple in nichts nach. Die Spannbreite geht von Think Tanks bis hin zu Dating-Portalen. Das bedeutet nicht nur spannende Erlöspotenziale für die Verlage – sondern auch Chancen für Werbekunden und ihre Marken.

Für Medien haben Communities eine besondere Bedeutung

Nutzer solcher Marken fühlen sich seelenverwandt, sie teilen gewisse Rituale, Symbole und Traditionen, wie der Markenexperte Karsten Kilian feststellt. Bei Medienmarken ist das besonders relevant. Für Journalisten mag die Interaktivität zuweilen Fluch und Segen zugleich sein – schließlich bringt der gemeine Troll viel Zeit mit. Dennoch sehen starke Editorial Media die Interaktivität und die sozialen Medien nicht als Probleme, sondern nutzen sie als Chancen für mehr Publikumsnähe.

Wichtiger Unterschied zu Konsumgütermarken: Die letzte Verantwortung für die Markenführung liegt nicht bei einem Markenmanager, sondern beim Chefredakteur. So war es denn auch Giovanni di Lorenzo, der jüngst die Abonnenten der ZEIT einlud, einen Freundeskreis zu bilden. An einer Auftaktveranstaltung für „Freunde der ZEIT in der Hamburger Universität nahmen 1.600 Leser teil. Wer sich registriert, kann bei Redaktionsbesuchen hinter die Kulissen der journalistischen Arbeit schauen, mit Autoren diskutieren und im „Leserparlament“ seine Präferenzen bekunden.

Das Magazin GEO hat traditionell viele Leser, die ideelle Werte teilen, etwa die Aufgeschlossenheit für fremde Kulturen und das Engagement für den Naturschutz. 1999 rief das Magazin den „Tag der Artenvielfalt“ ins Leben. Mit wechselnden Projektpartnern findet seither jedes Jahr eine Hauptveranstaltung mit diversen begleitenden Aktionen statt. Inzwischen handelt es sich um die „größte Feldforschungsaktion Mitteleuropas“. Seit 2017 lautet ihr Name „GEO-Tag der Natur“.

Der Economist und seine Submarke, der Think Tank Economist Intelligence Unit (EIU), führen rund 2.500 besonders qualifizierte Leser zu einem internationalen Netzwerk zusammen. The Economist Corporate Network ist eine Vereinigung von Führungskräften in aufstrebenden Wirtschaftsregionen des asiatisch-pazifischen Raums, des mittleren Ostens und Afrikas. Das Netzwerk unterhält Büros in Dubai, Johannesburg, Peking, Hongkong, Schanghai, Singapur und Tokio. Wer sich mit Erfolg um die Aufnahme beworben hat, kann an exklusiven Events teilnehmen und Geschäfte anbahnen. Zudem profitiert er jederzeit auch online von der Expertise des Netzwerks und der EIU.

Direkterlöse aus digitalem Journalismus

Der britische Guardian hat relativ junge Leser und führt unter dem Namen Guardian Soulmates“ ein Dating-Portal, auf dem Singles mit ähnlichen Weltanschauungen zusammentreffen. „Soulmates“ ist mit „Seelenverwandte“ zu übersetzen. Überhaupt kommt dem Gemeinschaftsgedanken eine Schlüsselrolle im Geschäftsmodell des Guardian zu. Die Medienmarke offeriert seit Ende 2014 eine dreistufige Mitgliedschaft: Ein „Supporter“ zahlt 49 Pfund im Jahr, ein „Partner“ 149 Pfund und ein „Patron“ 599 Pfund. So erzielt der Guardian direkte Erlöse aus dem digitalen Journalismus, nicht nur indirekte Werbeerlöse. Anders als beim Abo-Modell einer paywall-bewehrten Nachrichtenseite können aber Zahler und Nicht-Zahler dieselben journalistischen Inhalte nutzen. Vorteile der Mitglieder liegen auf anderen Feldern, etwa beim privilegierten Zugang zu Events. Seit 2016 gibt es einen starken Zustrom an Mitgliedern auf jetzt über 200.000.

Auch Werbekunden und ihre Marken profitieren

Starke Magazinmarken erweisen sich als echte Anker in der Medienlandschaft. Das zeigen die genannten Beispiele. Mit Events, Clubkonzepten, Netzwerken, Forschungsinitiativen und vielem mehr schaffen sie einen Rahmen fürs Community Building. Es ist davon auszugehen, dass sich diese Community-Modelle weiter verbreiten werden und sich immer wieder neue Spielarten entwickeln werden. So entstehen soziale Bindungskraft und vor allem Vertrauenskapital, davon profitieren letztendlich alle: Leser, Verlage und Werbekunden.

Dr. Uwe Sander
Dr. Uwe Sander
Der gelernte Volkswirt arbeitete nach einigen Jahren in der empirischen Wirtschaftsforschung von 1984 bis 2014 in verschiedenen Funktionen beim Verlag Gruner+Jahr, u.a. für die Titel Capital, Stern, GEO und Art. Heute ist er freiberuflich als Autor und Berater tätig. Sein besonderes Interesse gilt der Entwicklung des digitalen Journalismus.