Zahlreiche Studien zeigen, dass redaktionelle Umfelder die Wirkung von Werbung verbessern. Aber was genau passiert im Gehirn, dass wir Werbung in diesen Umfeldern besser bewerten als Werbung auf anderen medialen Plattformen und Angeboten? Dieser Frage ist eine neurowissenschaftliche Studie im Auftrag des Online-Publisher Verbandes AOP und der englischen Zeitungsmarketingvereinigung Newsworks nachgegangen.

Als Forschungsinstrument kam die Steady State Topgraphy (SST) zum Einsatz, ein in den 1990er Jahren entwickeltes Verfahren zur Messung von Hirnaktivitäten. Die Versuchspersonen tragen dabei Kappen mit Elektroden, die Veränderungen in den Hirnströmen erfassen. Mit Hilfe der SST lässt sich ermitteln, welche Hirnareale in einer Situation besonders stark bzw. weniger stark aktiviert werden.

Verarbeitung von Werbung im menschlichen Gehirn

Da Schlüsselfunktionen des menschlichen Gehirns, die für die Verarbeitung von Werbung wichtig sind, bestimmten Hirnregionen zugeordnet werden können, lässt sich über die SST ermitteln, wie stark entsprechende kognitive Prozesse durch Werbung in unterschiedlichen Umfeldern ausgelöst werden.

Für die Studie ‚Context Matters‘ wurden bei 139 Versuchspersonen, einer für derartige Untersuchungen ungewöhnlich großen Zahl, Veränderungen der Hirnströme bei der Betrachtung von Werbung in unterschiedlichen digitalen Umfeldern erfasst. Die Versuchspersonen waren jeweils zur Hälfte Männer und Frauen im Alter zwischen 18 und 60 Jahren. Systematisch gemessen wurden die Aktivitäten in Gehirnbereichen, die folgenden für die Werbewirkung wichtigen kognitiven Prozessen zugeordnet werden können:

  • Langzeitgedächtnis (sowohl das ganzheitliche Langzeitgedächtnis, das rechtsseitig im Gehirn verortet wird als auch das detailorientierte bzw. sprachliche Langzeitgedächtnis, für das in der linken Gehirnhälfte ablaufende Prozesse zuständig sind)
  • Aufmerksamkeit (wiederum differenziert nach ganzheitlicher Aufmerksamkeit, für die es ein rechtsseitiges Hirnareal gibt und nach Detailaufmerksamkeit, die in der linken Gehirnhälfte verortet wird)
  • Involviertheit/Engagement
  • Emotionale Intensität
  • Anziehung/Abstoßung als „Richtung“ für die emotionale Intensität

Die Versuchspersonen konnten während des Experiments teilweise Websites ihrer Wahl ansteuern, teilweise wurden sie gezielt auf redaktionelle Qualitätswebsites und teilweise auf Facebook oder Youtube geleitet. Innerhalb dieser unterschiedlichen Umfelder wurden Test-Werbemotive von fünf am Projekt teilnehmenden Werbungtreibenden, darunter Volkswagen und LG, ausgespielt. Zur Validierung der Testmotive wurde per Messung sichergestellt, dass die davon ausgelösten Gehirnaktivitäten sich im Mittel nicht von den Gehirnaktivitäten unterschieden, die von „normaler“ Werbung außerhalb des Experiments im Echtbetrieb der jeweiligen Angebote ausgelöst wurden.

Redaktionelle Umfelder wirken besonders aktivierend

Die Messungen zeigten, dass Werbung beispielsweise in Social Media-Umfeldern gegenüber dem durchschnittlichen Werbeumfeld häufig stärkere Gehirnaktivitäten auslöste. Nur im Bereich des sprachlichen und detailorientierten Langzeitgedächtnisses (linke Gehirnhälfte) blieben Social Media-Umfelder hinter dem Durchschnittsumfeld zurück.

Noch besser aktivierte Werbung in redaktionellen Qualitätsumfeldern die Gehirnaktivitäten: Werbung in diesen Werbeumfeldern löste in allen vermessenen Bereichen des Gehirns stärkere Aktivitäten aus als Werbung im durchschnittlichen Umfeld beim freien Surfen. Die gemessenen Hirnaktivitäten als Reaktion auf Werbung in Editorial Media waren zudem bei allen Messkategorien größer als bei Werbung in Social Media-Umfeldern. Ausnahmen bildeten nur die beiden Aufmerksamkeits-Messwerte.

Damit zeigt die Studie, dass Werbung in Editorial Media Umfeldern deutlich stärkere Aktivitäten in den für Werbeeffektivität relevanten Hirnregionen erzeugt als Werbung in anderen Umfeldern. Und fast alle Hirnregionen werden durch Werbung im Umfeld von Editorial Media noch einmal stärker aktiviert als durch Werbung in Social Media.

Der Autor

Markus Schöberl
Markus Schöberl
Markus Schöberl hat fast 15 Jahre im Pressevertrieb auf Verlagsseite gearbeitet und dort viel über die unterschiedlichen Prioritäten von Zeitungen und Zeitschriften, in Abo und Einzelvertrieb und zuletzt auch beim Vertrieb digitaler Presse (Paid Content) erfahren. Seit 2013 veröffentlicht er einmal monatlich pv digest, eine Analyse der wichtigsten Entwicklungen in diesen Bereichen. Darüber hinaus berät er ausgewählte Verlage und Vertriebsunternehmen in Vertriebsfragen, hält Vorträge und moderiert Veranstaltungen zu seinen Themen.