Mord und Totschlag, die Abgründe der menschlichen Seele: Die überraschenderweise größtenteils weibliche Fangemeinde von „True Crime“, Geschichten über wahre Verbrechen, scheint stetig zu wachsen. Ein Trend, mit dem Verlage ihre Leser*innen im wahrsten Sinne fesseln können. Doch nicht nur diese profitieren von dem steigenden Angebot von Magazinen und Podcasts.

Geschichten über Verbrechen faszinieren Menschen seit jeher

Schon in der Bibel folgt der Verführung zum Sündenfall mit dem Mord von Kain an Abel gleich das erste Kapitalverbrechen. Krimis in Form von gebundenen „Page Turnern“, als TV-Tatort oder Netflix-Serie fesseln bis heute ein breites Publikum. Auch in Zeitungen und Zeitschriften sind Kriminalfälle und Gerichtsreportagen schon lange wesentlicher Bestandteil der Berichterstattung. Doch monothematische Zeitschriften zu wahren Kriminalfällen, die „True Crime“-Magazine, sind in der deutschen Zeitschriftenlandschaft ein eher neues Phänomen.

In der deutschen Zeitschriftenlandschaft machte der Stern (Gruner + Jahr) 2015 mit Stern Crime den Anfang – und es folgten weitere: So zum Beispiel 2017 Das Kriminal Magazin (Verlag Livingston Media), 2018 Zeit Verbrechen (Zeitverlag), die aktuelle Krimi (Funke Mediengruppe), Real Crime (bpa Media), 2019 Closer Crime (Bauer Verlag), 2020 Echte Verbrechen (Focus Sonderheft, Hubert Burda Media) und jüngst „Akte NRW“ von FUNKE Medien.

Echte Verbrechen thematisiert die großen existenziellen Fragen rund um Kriminalgeschichten: die Schicksale der Opfer, die Psyche der Täter und das ‚Böse‘ im Menschen“, so beschreibt Redaktionsleiter Thomas Ammann des neuen Focus-Ablegers die Faszination des Genres gegenüber Meedia.

Hohe Auflagen und Copypreise

Stern Crime verkaufte laut eigenen Angaben zum Start gleich 150.000 Exemplare und liegt mittlerweile bei rund 90.000 gedruckten Heften. Für Zeit Verbrechen liegt die Druckauflage Anfang 2020 laut Verlag ebenfalls bei 90.000 Exemplaren und Echte Verbrechen ging mit 120.000 an den Start.

Die gut recherchierten und gut erzählten Geschichten werden bei vielen Magazinen durch hochwertige Fotos und eine gute Heftausstattung ergänzt. So sind die Leser*innen bereit auch höhere Copypreise von 6 Euro und mehr zu zahlen. Korrespondierend mit den Absendermarken bewegen sich Closer Crime und die aktuelle Krimi auf einem etwas niedrigeren Copypreis-Niveau, dafür drucken sie dann jedoch mehr als 160.000 Exemplare pro Ausgabe. Und bei einer Erscheinungsfrequenz von vier Mal im Jahr oder öfter werden viele der „True Crime“-Magazine auch im Abonnement angeboten.

Hoher Frauenanteil in der „True Crime“-Leserschaft

Zu den Lesern zählen überwiegend Frauen. Das zeigen sowohl die verlagseigenen Befragungen als auch die Leserschaftsresonanz, die bei den Titeln ankommt oder auf Social Media sichtbar ist. So seien bei Stern Crime mehr als 80 Prozent der Leser weiblich, bei Zeit Verbrechen kommt die verlagseigene Marktforschung auf gut 65 Prozent.

„Frauen interessieren sich immer mehr für die Psychologie“ sagt dazu die stellvertretende Zeit-Chefredakteurin und Herausgeberin von Zeit Verbrechen Sabine Rückert im Gespräch mit dem NDR-Medienmagazin Zapp.

Ingrid Rose, Klambt-Chefredakteurin von Grazia und Jolie, ist dafür das beste Beispiel. Sie outete sich in PRINT&more 2/2020 als Stern Crime-Fan der ersten Stunde, die jede Zeile, jede Bildunterschrift und jeden Leserbrief im Heft lese: „So skurril es auch klingen mag: Stern Crime entspannt mich. Vielleicht, weil es mich in Welten entführt, die meiner beruflichen und privaten Realität glücklicherweise total fremd sind.“

Wie steht es um den journalistischen Anspruch?

Hinsichtlich des journalistischen Anspruchs macht Stern Crime-Chefredakteur Giuseppe di Grazia im Gespräch mit der Süddeutschen Zeitung auf eine wichtige Herausforderung hinsichtlich der Aufbereitung der echten Fälle aufmerksam: Man müsse den Spannungsbogen aus Krimis auf die wahren Fälle übertragen und dabei „zu hundert Prozent akkurat“ sein.

Offenbar gelingt dies einer Reihe von Angeboten sehr gut. Nicht zuletzt wurde der Podcast Zeit Verbrechen 2019 bei den Lead Awards mit Gold ausgezeichnet.

Erfolgreiche Podcasts ergänzen die Magazine

Die Print-Produkte werden bei den höherpreisigen Angeboten nämlich auch von eigenen Podcasts flankiert. So startete Zeit Verbrechen im April 2018 mit der stellvertretenden Die Zeit-Chefredakteurin Sabine Rückert und Andreas Sentker, Wissenschaftsressortleiter und geschäftsführender Redakteur bei Die Zeit, mit dem Audio-Angebot zum Magazin. Mittlerweile erreichen die Folgen laut Eigenangaben rund 700.000 Downloads pro Folge und sind regelmäßig Platz 1 in den Charts.

Auch Stern Crime und Echte Verbrechen veröffentlichen unter dem Markennamen eigene Podcast-Angebote. Daneben finden sich auch viele Angebote von professionellen Redaktionen wie die der öffentlich-rechtlichen Hörfunksender oder Mordlust des ARD-ZDF-Jugendkanals „funk“. Insgesamt gibt es vermutlich mindestens genauso viele „True Crime“-Audioangebote wie Krimis im Fernsehen.

Eingefleischte Fans mit hohem Involvement

Und es geht noch weiter: In den hauseigenen Magazin-Shops sind die gedruckten Hefte attraktive Longseller. „Nicht zuletzt, da die neuen Audio-Formate, die gedruckten Medien beflügeln: Wer einen spannenden Fall beim Zeit Verbrechen-Podcast entdeckt, bestellt danach im Zeit-Shop gern auch eine ältere Ausgabe des Magazins“, berichtet Malte Riken, stellvertretender Verlagsleiter Magazine beim Zeitverlag, gegenüber editorial.media.

Live-Events runden die Verlagsangebote ab und begeisterten große Zuschauermengen, bevor die Covid19-Krise dieser Entwicklung erst einmal einen Dämpfer verpasste. Stattdessen veröffentlicht der Zeitverlag mit der Zeit Verbrechen Edition nicht das „Buch zum Film“ sondern „Das Buch zum Erfolgs-Podcast“. Und gerade geht neben dem „Fan-Buch“ auch ein Zeit Verbrechen-Newsletter des Hauses an den Start.

Ein weiterer Beleg für die außerordentlich hohe Bindung an die Medienmarken der Verlage und die intensive und andauernde Beschäftigung mit dem Content, von dem über Anzeigen, Podcast-Sponsoring und weiteren Werbemöglichkeiten auch Werbungtreibende enorm profitieren können.

Autor

Christiane Dähn
Christiane Dähn
Christiane Dähn ist Projektleiterin im Büro Bardohn in Hamburg. Nach ihrem Studium in Betriebswirtschaft und Journalistik an der Universität Hamburg, kümmerte sie sich bei Gruner + Jahr (Stern, Brigitte) und im Zeit-Verlag um Marketing, Anzeigenverkauf, Marktforschung und Verlagsgeschäfte.