Es ist ein offenes Geheimnis: Der Paradigmenwechsel von Print zu Online stellt viele Verlage vor Herausforderungen. Als Aushängeschild für die gelungene Transformation im digitalen Zeitalter wird immer wieder die New York Times angeführt, die unter Opinion Leadern ohnehin seit Jahrzehnten als „beste Zeitung der Welt“ gilt.

Den Grund dafür lieferte unlängst der erfolgreichste Investor der Welt: „Sie haben eine Online-Präsenz entwickelt, für die die Leute bereit sind zu zahlen“, erteilte Warren Buffett der New York Times (NYT) zusammen mit dem Wall Street Journal den Ritterschlag einer „gesicherten Zukunft“.

Starke Quartalsbilanz treibt Aktie an der Wall Street auf 9-Jahreshoch

Wie gefragt journalistische Qualitätsinhalte auch im vermeintlich schnelllebigen Online-Zeitalter sind, hat die New York Times erst bei ihren jüngsten Quartalszahlen im Mai dokumentiert. Das renommierte US-Verlagshaus konnte im Auftaktquartal des Jahres ein Umsatzplus von 5 Prozent auf 399 Millionen Dollar ausweisen. Wichtiger noch: Nach Nettoverlusten von 14 Millionen Dollar in den ersten drei Monaten des vergangenen Jahres konnte die NYT im ersten Quartal 2017 nunmehr ein Plus von 13 Millionen Dollar einfahren.

Lohn der Zuwächse: Die Aktie der NYT liegt seit Jahresanfang bereits um stolze 35 Prozent vorne und hat damit größere Kurszuwächse verbucht als hoch gewettete Technologie- und Internetaktien wie Apple, Amazon oder Facebook. Mehr noch: Die Anteilsscheine notieren nicht nur im Jahresvergleich sogar schon um 51 Prozent höher, sondern tatsächlich wieder auf einem Kursniveau, das die an der New Yorker Traditionsbörse NYSE gelistete Aktie seit der großen Finanzkrise nicht mehr gesehen hat. Bei Kursen von aktuell 18 Dollar wurde die New York Times-Aktie zuletzt im Mai 2008 gehandelt.


„Trump Bump“: Wie der Wirbel um den neuen US-Präsidenten der NYT hilft     

Dabei durchlebt die 1851 gegründete US-Traditionszeitung mit dem Wechsel im Weißen Haus so turbulente Zeiten wie lange nicht mehr. Immer wieder wurde die New York Times von Donald Trump in den vergangenen Monaten als „Fake News“ und gar „Gefahr für das Land“ abgetan. „Es würde der gescheiterten New York Times viel besser gehen, wenn sie ehrlich wäre“, wetterte Trump in einer seiner Tweet-Tiraden, die die New York Times zu Jahresbeginn mit der viel beachteten Werbekampagne „The Truth is hard“ („Die Wahrheit ist schwierig“) gekontert hatte.

Geschadet haben der „Gray Lady“ Trumps Attacken zumindest nicht – im Gegenteil.  Mit 308.000 neuen Digital-Abonnenten verbuchte die NYT im jüngsten Quartal den größten Zuwachs an zahlenden Kunden für seine Online-Dienste aller Zeiten. Die New York Times bringt es damit bereits auf 2 Millionen Digital-Only-Abonnenten (2,2 Millionen mit Lesern, die das Print-Abo abgeschlossen haben.)

Agenda 2020: Digital-Abos entscheiden, nicht Werbeerlöse 

Trotzdem will sich Chefredakteur Dean Baquet nicht auf den Lorbeeren ausruhen und hat in einer Agenda für das Jahr 2020 („Journalismus, der herausragt“) als Zukunftsstrategie umrissen, sich vom werbefinanzierten Erlösmodell unabhängiger zu machen. „Um unsere Zukunft zu sichern, müssen wir die Zahl unserer Abonnenten bis 2020 substanziell erhöhen“, resümiert Baquet die Ergebnisse der internen Untersuchung.

Hatte die New York Times im Jahr 2010 noch rund 200 Millionen Dollar an digitalen Umsätzen (Abonnements und Anzeigen) eingefahren, lagen die Digital-Erlöse im vergangenen Geschäftsjahr bei bereits knapp 500 Millionen Dollar. Bis 2020 soll das digitale Umsatzvolumen bis auf 800 Millionen Dollar steigen; das Wachstum soll dabei fast ausschließlich durch bezahlte Digital-Abos erzielt werden. Bereits im vergangenen Quartal lagen die mit Digital-Abonnements (75,8 Millionen Dollar) erzielten Umsätze deutlich über den digitalen Anzeigenerlösen (49,7 Millionen Dollar).

„Wir sind, einfach ausgedrückt, ein „Subscription-first Business“, bringt Chefredakteur Dean Baquet das New York Times-Geschäftsmodell der Zukunft auf den Punkt. Um für neue Leser, die maßgeblich aus der Smartphone-Generation kommen, noch interessanter zu werden, will die New York Times auch in der Ansprache nachbessern und verstärkt auf nativ digitale Darstellungsformen und neue Mobil-Formate setzen. „Unsere Berichterstattung muss visueller werden“, fordert Baquet.

Der Autor

Nils Jacobsen
Nils Jacobsen
Nils Jacobsen ist Wirtschaftsjournalist und Techreporter in Hamburg. Der studierte Medienwissenschaftler und Buchautor („Das Apple-Imperium“ / „Das Apple-Imperium 2.0“ ) berichtet seit 20 Jahren über die Entwicklung der Aktienmärkte und digitalen Wirtschaft: seit 2008 täglich für den Branchendienst MEEDIA, in einer wöchentlichen Kolumne für Yahoo Finanzen und in monatlichen Reportagen für die Marketingzeitschrift absatzwirtschaft. Jacobsen war zudem als Chefredakteur der Portale CURVED, clickfish, US FINANCE und YEALD aktiv.