Als Magazine wie Spiegel, Focus und Stern Mitte der 1990er die ersten journalistischen Websites starteten, galten „Digital Natives“ als prädestinierte Zielgruppe –  junge Menschen also, die mit der Welt der Bits & Bytes groß geworden waren.  Wer damals 60 Jahre alt war, hatte kein Smartphone, nutzte keine „sozialen Medien“, kannte das neudeutsche Verb „googeln“ nicht. Kein Wunder: Dies alles gab es noch gar nicht.

Anders die 60-Jährigen von heute: 82 Prozent suchen laut AWA im Internet, wenn sie sich über ein Thema näher informieren wollen. 63 Prozent betreiben schon Onlinebanking, und bald werden viele via Smartphone ihre elektronische Patientenakte verwalten.

Info-Interessen ändern sich im Lebenszyklus

Zwar ist das generelle Interesse am Netz auch heute bei den Jüngsten am stärksten ausgeprägt (Grafik unten). Doch der konkrete Informationsbedarf eines Menschen hängt stark davon ab, in welcher Phase seines Lebenszyklus er sich befindet. Jüngere interessieren sich – statistisch betrachtet – seit jeher mehr für modische, Ältere mehr für medizinische Fragen.

An manchen Themen sind die Jüngsten ebenso wie die Hochbetagten nur mäßig interessiert. Geht es etwa um politische Informationen so partizipieren Menschen unter 25 und über 75 nur unterdurchschnittlich an der Informationssuche im Netz. Umgekehrt kommen 60-Jährige als Zielgruppe für digitale Nachrichtenmagazine genauso in Frage wie Anfang Dreißiger.

Die „jungen Alten“ sind viele

Neben Anteilswerten sind allerdings auch absolute Zahlen relevant. Und diesbezüglich weist die Gruppe der 55- bis 64-Jährigen, manchmal als  „junge Alte“ bezeichnet, einen singulären demografisch bedingten Vorzug auf: Ihr gehören einige der geburtenstärksten Jahrgänge aus der deutschen Nachkriegsgeschichte an. Mit einem Zielgruppenpotential von 12,7 Millionen Personen überragen die „jungen Alten“ alle anderen Altersgruppen (Grafik unten).

„Junge Alte“ sind wichtig für Websites und Apps aus vielen Segmenten

Hinzu kommt: Die 55- bis 64-Jährigen sind finanziell oft abgesichert, erfreuen sich zumeist guter Gesundheit und haben zum Teil schon den Ruhestand als Lebensabschnitt mit neuer Zeitsouveränität im Blick. So interessieren sich zum Beispiel 46 Prozent fürs Reisen und suchen im Internet nach Reise-Infos. Im Bevölkerungsdurchschnitt beträgt der entscprechende Anteil nur 41 Prozent (Grafik unten). Überdurchschnittlich häufig suchen die „jungen Alten“ im Netz auch nach Infos über Bauen und Bücher, Geldanlage und Gartenpflege, Wirtschaft und Wissenschaft, Kunst und Kultur –  um nur einige zu nennen.

Keine Missverständnisse: Die 55- bis 64-Jährigen lesen ungeachtet ihrer Internet-Affinität auch viel und gern in gedruckten Zeitungen und Zeitschriften. In dieser Hinsicht überragen sie den Bevölkerungsdurchschnitt ebenfalls. Es ist also beispielsweise sinnvoll, wenn Nachichten-,  Wirtschafts-, Reise und Gartenmagazine nicht zuletzt in Print ihre Websites und Apps bewerben.

Dr. Uwe Sander
Dr. Uwe Sander
Der gelernte Volkswirt arbeitete nach einigen Jahren in der empirischen Wirtschaftsforschung von 1984 bis 2014 in verschiedenen Funktionen beim Verlag Gruner+Jahr, u.a. für die Titel Capital, Stern, GEO und Art. Heute ist er freiberuflich als Autor und Berater tätig. Sein besonderes Interesse gilt der Entwicklung des digitalen Journalismus.