Nachrichten seien öffentliche Güter – damit dürfe der Zugang zu ihnen nicht durch Paywalls verhindert werden. So lautet eine These von Alan Rusbridger, dem früheren Chefredakteur des Guardian. Er plädiert damit für ein Freiwilligen-Modell nach dem Motto „I pay, so everyone can read“. Dies entspricht dem Ansatz des Guardian, dessen Website frei zugänglich ist, der aber seine besonders engagierten Nutzer um Spenden bittet. In Deutschland arbeitet taz.de mit einem ähnlichen Modell.

Rusbridgers These bedarf einer Prüfung

Dem Guardian ist nachhaltiger Erfolg mit seinem Ansatz zu wünschen. Aber die These, dass Nachrichten öffentliche Güter seien, verdient Widerspruch. Dabei geht es genau genommen nicht so sehr um die „nackte Nachricht“. Die Information über den Ausgang eines Fußballspiels oder einer Wahl ist nämlich in einer digital vernetzten Welt gar kein knappes Gut, sondern überall verfügbare Commodity. Es geht in Rusbridgers Argumentation um den Nachrichtenjournalismus – also um aufwändig herzustellende Berichte, Analysen und Interviews, um Fotos, Videos, Reportagen und fundierte Meinungsbeiträge.

Was sind öffentliche Güter?

Ein öffentliches Gut erfüllt gleichzeitig zwei Kriterien: Nicht-Ausschließbarkeit und Nicht-Rivalität. So kann niemand von der Nutzung ausgeschlossen werden und beliebig viele Menschen können das Gut gleichzeitig nutzen. Beispiele für öffentliche Güter sind saubere Luft, Deiche oder Straßenbeleuchtung.

Inwiefern trifft das auf Nachrichtenjournalismus zu?

Bei einer Nachrichtenseite im Internet ist nur eines der beiden Kriterien erfüllt, nämlich das der Nicht-Rivalität. Die Exklusion von zahlungsunwilligen Trittbrettfahrern, die beim traditionellen Printprodukt gegeben ist, lässt sich beim digitalen Produkt auf technischem Weg bewerkstelligen. Dass dies in der Praxis funktionieren kann, ist erwiesen: Spiegel+, FT.com, NYTimes.com und Netflix verkaufen erfolgreich ein jeweils auf ihre Zielgruppe zugeschnittenes Club-Gut.

Entscheidend ist: Privatwirtschaftlich organisierter Journalismus ist nicht zwangsläufig ans Papier gebunden. Auch im digitalen Journalismus lässt sich das Prinzip der Konsumenten-Souveränität zur Geltung bringen, wie der Wirtschaftswissenschaftler Stefan Kooths feststellt: Mediennutzer können über ihre Präferenzen den Umfang und die Qualität des Angebots steuern. Diese Präferenzen offenbaren sich durch die Zahlungsbereitschaft. Dieses marktwirtschaftliche Prinzip vertreten Verbände wie VDZ, BDZV und BVDW in ordnungspolitischen Grundsatzdebatten mit dem Gesetzgeber und den Vertretern der öffentlich-rechtlichen Medien.

Journalismus ist kein öffentliches Gut, hat aber eine öffentliche Funktion

Ein öffentliches Gut ist der Journalismus nicht, auch nicht im Internetzeitalter. Dennoch haben journalistische Medien eine wichtige öffentliche Funktion. Neben der reinen Unterhaltung ihrer Leser ist es auch ihre Aufgabe, das Handeln der Eliten kritisch zu begleiten, Öffentlichkeit herzustellen und gesellschaftliche Integration zu ermöglichen. Sie haben sozusagen das Gespräch der Gesellschaft mit sich selbst zu organisieren.

Dem privatwirtschaftlich organisierten Journalismus wird also in der Demokratie eine öffentliche Aufgabe zugewiesen. Dafür werden ihm im Gegenzug traditionell gewisse Privilegien eingeräumt. Dazu gehören beispielsweise Informantenschutz, Beschlagnahme- und Durchsuchungsverbote. Die Frage, ob es angesichts der kulturellen und finanziellen Herausforderungen durch mächtige Intermediäre wie Google, Facebook & Co. neue Regularien braucht, ist gegenwärtig Gegenstand vieler kontroverser Debatten.

Dr. Uwe Sander
Dr. Uwe Sander
Der gelernte Volkswirt arbeitete nach einigen Jahren in der empirischen Wirtschaftsforschung von 1984 bis 2014 in verschiedenen Funktionen beim Verlag Gruner+Jahr, u.a. für die Titel Capital, Stern, GEO und Art. Heute ist er freiberuflich als Autor und Berater tätig. Sein besonderes Interesse gilt der Entwicklung des digitalen Journalismus.