Mitte der 1990er Jahre hatten General-Interest-Medien in aller Welt ihre Angebote im Internet gestartet. Doch erst 15 Jahre später, im Jahr 2010, trauten sich die ersten Verlagsmanager Preisschilder aufzustellen. Lautstarke Gegner von Paid Content hatten mit der Parole „Information wants to be free“ jahrelang Verwirrung gestiftet. „Frei“, so suggerierten sie, bedeute vor allem „kostenfrei“, zumal die Grenzkosten der digitalen Distribution nahe Null liegen würden. Nur langsam setzte sich die Erkenntnis durch, dass das Wort „frei“ in „Freiheit“ eine andere Bedeutung hat als in „Freibier“. Und dass gute Inhalte aufwändig produziert werden müssen, bevor sie distribuiert werden können.

Allmählicher Sinneswandel

In Deutschland dauerten manche Lernprozesse noch länger als in angelsächsischen und skandinavischen Ländern. So hat erst der jüngste Digital News Report vom Reuters Institute der Universität Oxford auf eine deutlich steigenden Zahlungsbereitschaft für digitalen Nachrichtenjournalismus hingewiesen. Binnen eines Jahres stieg demnach der Anteil der Zahlenden um fünf Punkte auf 14 Prozent. Nun hat die Score Media Group, führender Vermarkter von regionalen Tageszeitungsmarken, eine aktuelle Paid-Content-Studie vorgelegt. Sie weist in dieselbe Richtung und ist zugleich inhaltlich weiter gefasst: Sie untersucht die Zahlungsbereitschaft für Medien-Abos schlechthin, bezieht also auch den Unterhaltungssektor mit ein. Neben der digitalen Transformation werden die wachsenden Alternativen zum linearen Funk und Fernsehen analysiert.

Die Studie weist auf den Einstellungswandel hin. „Ich hätte mir vor ein paar Jahren nicht vorstellen können, für die Nutzung von Medien zu bezahlen“, sagen 52 Prozent der befragten Onliner zwischen 16 und 69 Jahren. Sie denken bei diesem Statement offensichtlich nur an freiwillige Zahlungen, nicht an den von ihrem Haushalt zwangsweise entrichteten Rundfunkbeitrag für ARD, ZDF und Deutschlandradio.

Video Streaming ist am weitesten verbreitet

Haushalte mit einem oder mehreren Abos – das sind 84 Prozent – geben im Durchschnitt 41 Euro monatlich dafür aus, wobei Haushalte mit Zeitungs-Abos fast ein Viertel mehr ausgeben. Video Streaming ist erwartungsgemäß am meisten verbreitet. Bei kostenpflichtigen Angeboten wie Netflix, Amazon Prime Video und Disney+ beträgt der Ausstattungsgrad 76 Prozent (Grafik unten). Im statistischen Mittel hat jeder Video-on-Demand-Haushalt 2,5 Streaming-Abos. Diese hohen Werte relativieren sich ein wenig, weil es sich zum Teil um Abos handelt, die außerhalb des eigenen Haushalts abgeschlossen wurden. Account Sharing über Haushaltsgrenzen hinweg verstößt eigentlich gegen die Nutzungsbedingungen, wurde aber bisher toleriert. Marktführer Netflix hat nun allerdings angekündigt, zukünftig dagegen vorzugehen. 55 Prozent der Haushalte haben mindestens einen kostenpflichtigen Audio-Dienst wie zum Beispiel Spotify oder Deezer abonniert, im Schnitt sind es 1,5 Abos pro Haushalt. 25 Prozent halten mindestens eine Zeitschrift, durchschnittlich 1,7 Titel. 24 Prozent haben mindestens eine Zeitung (gedruckt oder digital) abonniert, im Schnitt sind es 1,3 Titel. Bei den meisten Zeitungen und Zeitschriften wird der Abo-Bestand noch durch Print dominiert. Bei regionalen Tageszeitungen macht Print zum Beispiel noch 79 Prozent aus, bei überregionalen 69 Prozent.

Informations- versus Unterhaltungsorientierung

Die Abo-Haltbarkeit ist bei den Zeitungen am höchsten. 43 Prozent der Zeitungs-Abos werden seit mindestens fünf Jahren genutzt. Bei Zeitschriften sind es 29 Prozent, bei Video und Audio ist es jeweils rund ein Fünftel. Diese Diskrepanzen lassen sich teilweise mit der unterschiedlichen Wachstumsdynamik erklären. Die im Haushalt abonnierten Zeitungen – Wochenzeitungen eingeschlossen – werden von 49 Prozent der Befragten täglich genutzt. Bei regionalen Tageszeitungen sind es insgesamt 58 Prozent, bei deren Printversionen sogar 65 Prozent. Video (20 Prozent) und Audio (37 Prozent) werden demgegenüber nur von Minderheiten täglich genutzt. Besonders interessant ist ein Blick auf die Nutzungsmotive. Wer ein Zeitungs- oder Zeitschriften-Abo nutzt, ist bei seiner generellen Mediennutzung eher informationsorientiert. Nutzern von Audio- und Videoangeboten suchen vor allem Entspannung, sie sind eher unterhaltungsorientiert (Grafik unten).

Werbeakzeptanz fällt unterschiedlich aus

Aus Markt-Media-Studien wie best for planning (b4p) und AWA ist seit langem bekannt, dass die traditionelle Unterbrecherwerbung des linearen Fernsehens und Hörfunks die Nutzer mehr stört als Anzeigen in Printmedien. Einen ähnlichen Zusammenhang zeigt die Paid-Content-Studie für Netflix, Spotify und Co im Vergleich mit den in der digitalen Transformation befindlichen Zeitungs- und Zeitschriftenmarken (Grafik unten). Für viele Nutzer von Zeitungs- oder Zeitschriften-Abos gehört Werbung zur Mediennutzung dazu, und sie fühlen sich durch Werbung weniger gestört als Nutzer von Audio- und Video-Streaming.

Zur Untersuchung: Die Studie basiert auf einer Befragung von 4.001 Probanden zwischen 16 und 69 Jahren im Online-Access-Panel, durchgeführt im Auftrag von Score Media in der Zeit vom 11. bis 25. August 2022 von Annalect Trend Research, einem Geschäftsbereich der Omnicom Media Group Germany. Weitere Ergebnisse, besonders über regionale Zeitungsmarken, liefern eine Pressemitteilung und eine Präsentation von Score Media.

Dr. Uwe Sander
Dr. Uwe Sander
Der gelernte Volkswirt arbeitete nach einigen Jahren in der empirischen Wirtschaftsforschung von 1984 bis 2014 in verschiedenen Funktionen beim Verlag Gruner+Jahr, u.a. für die Titel Capital, Stern, GEO und Art. Heute ist er freiberuflich als Autor und Berater tätig. Sein besonderes Interesse gilt der Entwicklung des digitalen Journalismus.