Was haben Haruki Murakami, Philip Roth und John Updike gemeinsam? Natürlich: Sie gehören allesamt zu den herausragendsten Stimmen der Weltliteratur. Gleichzeitig haben alle Schriftsteller im Laufe ihrer Karriere zahlreiche Artikel, Kolumnen, Essays oder Shortstorys für das wohl renommierteste Wochenmagazin der Welt geschrieben: The New Yorker.
Tatsächlich führt die Spur zurück ins „Jazz Age“ der Roaring 20’s – jener Ära der Dekadenz und technologischen Moderne des frühen 20. Jahrhunderts, in dem der amerikanische Zukunftsglaube in den Himmel zu schießen schien wie die ersten Wolkenkratzer in New York. „The New Yorker“ verstand sich als literarisches und gesellschaftspolitisches Organ jener Epoche, das dem entstehenden Hochkapitalismus zeitgeistig den Spiegel vorhielt.
Ikonische Cover für die Ewigkeit
Schon das Cover der ersten Ausgabe, die am 21. Februar 1925 erschien, war ein ikonisches Statement: Ein offenbar selbstzufriedener Dandy mit überdimensionalem Hut, der mit einem Monokel auf einen Schmetterling starrt – Abbild und ironische Brechung einer Ära zugleich. Der Dandy, der den Namen Eustace Tilley tragen sollte, hatte in unzähligen Cartoons, die maßgeblich zum Ruhm der Publikation beitrugen, immer wieder seinen großen Auftritt.
The New Yorker first issue's cover with dandy Eustace Tilley, created by Rea Irvin. 1925. Check out for more pics: https://t.co/zz3iku0tLV pic.twitter.com/0kbCqWfIj6
— History Lovers Club (@historylvrsclub) October 31, 2018
Die Titelbildgestaltung selbst wurde zum Markenzeichen des New Yorkers, der seinerzeit in der ersten Ausgabe für 15 Cent zu haben war – 8,99 Dollar werden 94 Jahre später für eine Ausgabe fällig. Im Gegensatz zu anderen großen Wochenzeitschriften verzichtet der New Yorker bei seinen Titelbildern komplett auf Schlagzeilen, Artikel-Teaser und Fotos – die Cover bestehen ausschließlich aus Illustrationen, die wie Kunstwerke aussehen und sich über Jahrzehnte im Zeitgeist einprägen.
Bereits 1,3 Millionen Abonnenten
Bis heute ist der New Yorker das Pflichtblatt der Intellektuellen: Wer etwas auf sich hält, lässt das 47 Mal im Jahr erscheinende Wochenmagazin auf dem Nacht-, Küchen- oder Wohnzimmertisch liegen – oder lädt es auf iPhone und iPad. Dass die 94 Jahre alte Traditionswochenzeitschrift auch in der Digital-Ära begehrtes Kulturgut ist, untermauert die Geschäftsentwicklung, die wie „ein heller Stern am dunklen Medien-Firmament“ erstrahlt, wie es der renommierte US-Journalist Felix Salomon formuliert.
Per Conde, The New Yorker is profitable, with total revenue of about $175 million and paid circ of 1.3 million. Definitely a bright spot in the generally-dimming media firmament. https://t.co/UPCQkSIrsX
— Felix Salmon (@felixsalmon) January 24, 2019
Besonderes bemerkenswert: Dem seit 1985 zum Condé Nast-Verlag (Vanity Fair, Vogue, Glamour) gehörenden US-Magazin ist es gelungen, seine Abhängigkeit vom volatilen Werbemarkt zu minimieren und bestreitet wie die New York Times inzwischen den Löwenanteil seiner Erlöse durch das Abonnentengeschäft, das per Ende 2018 schon 1,3 Millionen Leser zählt. Bis spätestens 2023 soll bereits die 2 Millionen-Abonnentenmarke durchbrochen werden.
Zwei Drittel der Erlöse durch Abonnentengeschäft
Bei Umsätzen von 175 Millionen Dollar im vergangenen Geschäftsjahr erzielte der New Yorker, der laut Condé Nast profitabel arbeitet, bereits stolze 66 Prozent (115 Millionen Dollar) seiner Erlöse mit Bezahlmitgliedschaften. Das entspricht einem rasanten Erlösanstieg von 69 Prozent gegenüber 2015, als das Prestigemagazin seine verschärfte Paywall einführte, nach der nur noch wenige Artikel frei zugänglich sind.
Um die hoch angesehene Wochenzeitschrift herum hat Chefredakteur David Remnick ein immer aktuelleres Online-Angebot entwickelt, das inzwischen jeden Tag zehn bis 15 neue Artikel und neun Newsletter in der Woche anbietet. Dass sich lediglich 13 Prozent der 1,3 Millionen zahlenden Leser für das Online-Only-Angebot (100 Dollar im Jahr) entscheiden, liegt nicht zuletzt am unschlagbaren Mehrwert des Bundles, in dem US-Leser für nur 50 Dollar mehr im Jahr alle 47 Printausgaben des Magazins zusätzlich erhalten.