„Niemand bezahlt für digitalen Journalismus“. Es ist noch nicht lange her, da war diese Behauptung von vielen Seiten zu hören. Denn – so das Argument – angesichts der Flut kostenloser Angebote im Web, sei der gefühlte Preis für journalistische Digitalprodukte auf null gefallen. Jeder Nutzer habe die Möglichkeit, ein kostenpflichtiges Angebot links liegen zu lassen und stattdessen auf die nächstbeste Gratiswebsite zuzugreifen.

Hohe Wertschätzung für journalistische Inhalte

So populär diese These lange war, so selten wird sie heute noch vertreten. Denn mittlerweile gibt es schlicht zu viele Beispiele für digitale journalistische Angebote, für die Nutzer gern bezahlen.

Das weltweit wohl am meisten beachtete Beispiel ist die New York Times. Rund 1,6 Millionen Menschen bezahlen für ein Digital-Abo der Zeitung. Das ist dreimal mehr als die Zahl der Print-Abonnenten der Zeitung. Hinter der New York Times können das Wall Street Journal, die Financial Times, die Zeitschrift Economist oder auch die Bild auf hoch sechsstellige Digit-Abonnenten-Zahlen verweisen.

Eines haben alle Medien, für die Nutzer Geld zu bezahlen bereit sind, gemeinsam: es sind von professionellen Journalisten redaktionell aufbereitete Angebote. Es handelt sich ausnahmslos um Editorial Media. Für PR bezahlt kein Leser, für die Verbreitung privater Erlebnisse und Eindrücke in Blogs auch nicht.

Umsatz mit digitalen Editorial Media wächst

Das Geschäft mit dem Verkauf digitaler journalistischer Produkte wächst wohin man auch schaut. So berichtete der Weltzeitungsverband WAN-IFRA jüngst, dass die Zeitungen rund um den Globus im Jahr 2015 drei Milliarden Dollar mit dem Verkauf digitaler Angebote erwirtschaftet haben. Das sind zwar nur 3,4% ihrer gesamten Vertriebserlöse von 89 Milliarden Dollar, aber es sind 30% mehr als im Jahr davor und sogar fünfeinhalb Mal mehr als fünf Jahre vorher.

Die deutschen Tageszeitungen erzielten zuletzt mit 194 Millionen Euro bereits 4,3% ihrer Vertriebsumsätze – und damit deutlich mehr als die weltweiten Tageszeitungen im Durchschnitt – mit dem Verkauf digitaler Angebote. Das ist das Ergebnis der jüngsten jährlichen Markteinschätzung von pv digest. Knapp 82 Millionen Euro Umsatz erzielen deutsche Zeitschriften mit dem Verkauf ihrer digitalen Produkte. Im Unterschied zu den Tageszeitungen experimentieren Zeitschriften neben dem E-Paper und App-Formaten für die Darstellung der Inhalte gedruckter Magazine mit einer größeren Vielfalt rein digitaler Angebote. Programmzeitschriften bieten Anwendungen, die es möglich machen, TV-Sendungen gezielt nach Genre, Schauspielern oder Uhrzeit auszuwählen. Fitness-Magazine stellen Coaching-Apps zur Verfügung. Wohnmobilfahrer können sich per App über Stellplätze informieren. Und bei der Stiftung Warentest können aktualisierte Testergebnisse abgerufen und einzelne Produkte tabellarisch miteinander verglichen werden.

Der Autor

Markus Schöberl
Markus Schöberl
Markus Schöberl hat fast 15 Jahre im Pressevertrieb auf Verlagsseite gearbeitet und dort viel über die unterschiedlichen Prioritäten von Zeitungen und Zeitschriften, in Abo und Einzelvertrieb und zuletzt auch beim Vertrieb digitaler Presse (Paid Content) erfahren. Seit 2013 veröffentlicht er einmal monatlich pv digest, eine Analyse der wichtigsten Entwicklungen in diesen Bereichen. Darüber hinaus berät er ausgewählte Verlage und Vertriebsunternehmen in Vertriebsfragen, hält Vorträge und moderiert Veranstaltungen zu seinen Themen.