Das geht aus einer kürzlich veröffentlichten Befragungsstudie des Pew Research Centers hervor. Die US-Forscher untersuchten insgesamt 38 Länder aus allen Kontinenten. Die Grafik unten zeigt, wie die Sorgfalt der Nachrichtenmedien in den erfassten EU-Ländern sowie in den USA und Kanada beurteilt wird.

Nachrichtenmedien: Nord-Süd-Gefälle in Europa

Die Ergebnisse deuten auf ein Nord-Süd-Gefälle in Europa hin: Die Nachrichtenmedien werden in den Niederlanden, in Schweden und Deutschland von der Bevölkerung deutlich besser beurteilt als in Spanien, Italien und Griechenland. Unter den Begriff „Nachrichtenmedien“ fallen Tageszeitungen und Nachrichtenmagazine ebenso wie einschlägige TV-Formate und digitale Angebote. Im Norden Europas werden Printmedien traditionell stärker als im Süden genutzt. Im Süden sind umgekehrt elektronische Medien für die Nachrichtendistribution wichtiger, in letzter Zeit auch soziale Medien. In Deutschland werden Facebook, Twitter & Co nur unterdurchschnittlich für Nachrichten genutzt und genießen weniger Vertrauen als journalistische Medien. Mehr noch: Der Vertrauensvorsprung dieser Medien fällt größer als in allen anderen Ländern aus. Das zeigte kürzlich das Edelman Trust Barometer 2018.

Ausgewogene Berichterstattung ist den meisten Leuten wichtig

Neben der journalistischen Sorgfalt liegt den Nutzern die politische Ausgewogenheit am Herzen. In Europa und Nordamerika sagen vier Fünftel, die einseitige Berichterstattung zugunsten eines politischen Lagers sei unter keinen Umständen akzeptabel. Zugleich gibt es aber in allen Ländern einen gewissen Bevölkerungsanteil, der die News als tendenziös wahrnimmt. In Deutschland beträgt dieser Anteil lediglich ein Viertel. In den erfassten EU-Ländern, die Niederlande ausgenommen, fällt die Klage über einen „Media Bias“ wesentlich stärker aus (Grafik unten). In Griechenland bezeichnen 80 Prozent die News als tendenziös, in Spanien 66 Prozent, in Polen 54 Prozent, in Italien und Frankreich jeweils 52 Prozent. Auch in den USA nimmt eine 52-prozentige Mehrheit die Nachrichten als politisch gefärbt wahr – ein Umstand, den der twitternde Präsident Trump gern zum Anlass für undifferenzierte Medienschelte nimmt.

Politische Polarisierung spielt eine wichtige Rolle für die Wahrnehmung

Fast scheint es, als kristallisiere sich ein generelles Muster heraus: Je stärker die politische Polarisierung in einem Land und je größer das Gewicht der politischen Ränder, desto eher werden die Nachrichtenmedien als parteiisch wahrgenommen. Wobei Journalisten sicherlich nicht ohne Einfluss auf die Entwicklung sind. Bob Woodward, der zusammen mit seinem Reporterkollegen Carl Bernstein einst für die Washington Post den Watergate-Skandal aufdeckte und so Präsident Nixon zu Fall brachte, hat dieser Tage in einem Interview für die Objektivität der Berichterstattung plädiert: „Ich denke, die Fakten sollten so neutral wie möglich dargestellt werden. Lasst die Leute ihre Urteile selbst fällen.“

Dr. Uwe Sander
Dr. Uwe Sander
Der gelernte Volkswirt arbeitete nach einigen Jahren in der empirischen Wirtschaftsforschung von 1984 bis 2014 in verschiedenen Funktionen beim Verlag Gruner+Jahr, u.a. für die Titel Capital, Stern, GEO und Art. Heute ist er freiberuflich als Autor und Berater tätig. Sein besonderes Interesse gilt der Entwicklung des digitalen Journalismus.