Das zeigt die neue Befragungswelle aus der repräsentativen „Langzeitstudie Medienvertrauen“ der Mainzer Johannes-Gutenberg-Universität. Am Ende des Pandemiejahres 2020 schenkten 56 Prozent der erwachsenen Bevölkerung den etablierten journalistischen Medien Vertrauen. In den vier Jahren zuvor waren es 41 bis 44 Prozent und 2015 sogar nur 28 Prozent.

Jeweils gegen Ende eines Jahres legen die Mainzer Forscher repräsentativ ausgewählten BürgerInnen eine Frage vor, die auf Themen von übergeordnetem Interesse abstellt: „Wie ist das, wenn es um wirklich wichtige Dinge geht – etwa Umweltprobleme, Gesundheitsgefahren, politische Skandale. Wie sehr kann man da den Medien vertrauen?“

Medienvertrauen steigt auf Rekordniveau

Während das Vertrauen auf Rekordniveau anstieg, erreichte der Anteil der Misstrauischen in der jüngsten Befragungswelle mit 16 Prozent einen Tiefstand. 28 Prozent enthielten sich eines pauschalen Urteils und antworteten mit „teils, teils“. Auch dies war der niedrigste Wert der letzten sechs Jahre.

Das Virus brachte JournalistInnen mehr Arbeit und Reichweite

Das Ergebnis ist umso bemerkenswerter, als viele JournalistInnen 2020 erhöhten Recherche-Aufwand bewältigen mussten – zumeist unter erschwerten Bedingungen aufgrund von Hygiene- und Homeoffice-Regelungen. Nachrichten- und WissenschaftsjournalistInnen hatten eine Flut von Studien und Expertenmeinungen zu sichten. Nur so konnten sie den Informationsbedarf der Bevölkerung befriedigen, der angesichts der unbekannten Gefahr sprunghaft gestiegen war. Statistisch schlug sich das in erhöhten Medien-Reichweiten nieder. Blickt man etwa auf die agof-Daten über digitale News der Verlage, so erhöhte zum Beispiel Focus online die jahresdurchschnittliche Nutzerzahl gegen Vorjahr um 17 Prozent, und FAZ.NET legte um 35 Prozent zu. Die Fernsehnachrichten verzeichneten ebenfalls zweistelliges Wachstum. RTL aktuell hatte laut AGF-Videoforschung im Schnitt 17 Prozent mehr Zuschauer als im Vorjahr, die ARD-Tagesschau erzielte ein Plus von 20 Prozent, ZDF-heute steigerte sich um 22 Prozent.

Beim Corona-Thema liegt die Vertrauenswürdigkeit über dem Durchschnitt

Die ForscherInnen von der Mainzer Gutenberg-Universität erfragten auch das Urteil der Bevölkerung über einzelne Themen. Die Ergebnisse erhärten die These, dass es speziell Nachrichten und Meinungen zu Corona waren, die den JournalistInnen zuletzt Pluspunkte einbrachten. Denn der Berichterstattung über die Pandemie schenkten die Menschen am Ende 2020 deutlich mehr Vertrauen (63 Prozent) als der Berichterstattung über den Klimawandel (55 Prozent) und über den Islam in Deutschland (39 Prozent).

Journalistische Medien bieten Orientierung

Fazit: Einzelne MedienwissenschaftlerInnen übten zwar harsche Kritik, doch aus Sicht der Bevölkerungsmehrheit haben journalistische Medien in der Krise ihre Orientierungsfunktion erfüllt. Fast zwei Drittel (65 Prozent) fanden die Berichterstattung über Covid-19 hilfreich, „um zu verstehen, was gerade passiert“. 16 Prozent fanden die Berichte nicht hilfreich, 19 Prozent entschieden sich für die Antwort „teils, teils“.

Wie sich die Dinge im laufenden Jahr weiter entwickeln, bleibt abzuwarten. Je besser es gelingt, der Pandemie Herr zu werden, desto höher dürfte das Medienvertrauen in der nächsten Befragungswelle Ende 2021 ausfallen. Denn das Vertrauen in den Journalismus ist keine isolierte Variable, sondern wird auch vom glaubwürdigen und erfolgreichen Handeln anderer gesellschaftlicher Institutionen beeinflusst.

Zur Methode der Mainzer Langzeitstudie

Die Daten basieren auf einer repräsentativen Telefon-Umfrage, die das Meinungsforschungsinstitut IFAK im Auftrag der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz durchgeführt hat. Befragt wurden im November und Dezember 2020 1.207 Personen ab 18 Jahren. Die statistische Fehlertoleranz beträgt maximal 2,8 Prozent.

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Dr. Uwe Sander
Dr. Uwe Sander
Der gelernte Volkswirt arbeitete nach einigen Jahren in der empirischen Wirtschaftsforschung von 1984 bis 2014 in verschiedenen Funktionen beim Verlag Gruner+Jahr, u.a. für die Titel Capital, Stern, GEO und Art. Heute ist er freiberuflich als Autor und Berater tätig. Sein besonderes Interesse gilt der Entwicklung des digitalen Journalismus.