Aktuelle Berichte zur Mediennutzung konzentrieren sich mit bemerkenswertem Tunnelblick auf schiere Quantitäten – vor allem auf technisch leicht zu erhebende Kennzahlen wie Nutzer, Page Impressions, Visits oder Messungen mit stark vereinfachenden Fragen („Wo informieren Sie sich über das Tagesgeschehen? – a) im Fernsehen b) im Radio c) in Zeitungen oder Zeitschriften d) im Internet“).

Eine der wenigen tiefergehenden Untersuchungen der jüngeren Vergangenheit stammt vom US-amerikanischen Medienforschungsinstitut Pew Research Center. Dieses fragte 2.000 US-Bürger, die Online-Nachrichten nutzen, über eine Woche hinweg zweimal täglich, auf welchem Weg sie mit den Nachrichten in Kontakt gekommen waren. Wenn sie über einen externen Link zu einem Artikel gefunden hatten, sollten sie angeben, ob sie sich an die Quelle erinnern konnten. Das bezeichnende Ergebnis: Die Nutzer erinnerten sich besser an die Quelle der Verlinkung, wenn diese von einem journalistischen Angebot kam, als wenn sie von ihren Social Media-Kontakten geteilt wurde.

Webnutzer widmen redaktionell gestalteten Angeboten mehr Aufmerksamkeit als den über Suchmaschinen, Social Media oder Aggregatoren-Apps präsentierten Inhalten.

Das hatte dasselbe Forschungsinstitut früher schon in einer sehr umfangreichen Studie nachgewiesen. Dabei verglichen die Forscher die Zeit, die Nutzer auf den 26 populärsten Nachrichtenwebsites der USA verbrachten mit dem Weg, auf dem die Nutzer diese Seiten angesteuert hatten. Dabei zeigte sich: Wer eine Nachrichten-Website direkt ansteuert, verbringt dort im Durchschnitt drei Mal mehr Zeit und liest fünf bis sechs Mal mehr Artikel als ein Nutzer, der beispielsweise via Social Media auf der gleichen Seite landet.

Dazu passen die von der GfK für Deutschland in 2016 erhobenen Daten: In den redaktionell gestalteten Umfeldern der Editorial Media-Angebote wird Werbung im Schnitt fast 50% länger betrachtet als auf Social Media-Plattformen und sogar deutlich mehr als doppelt so lang als im Umfeld von Functional Media, wie beispielsweise Suchmaschinen.

Jedes Mal, wenn ein Smartphone-Nutzer zu seinem Handy greift – also etwa zwischen 80 und 200 Mal pro Tag – besteht eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass er dabei mit Nachrichten-Inhalten in Kontakt kommt. Sei es über Twitter, Facebook oder auch eine Nachrichten-App, die er extra zu diesem Zweck aufruft. In aller Regel handelt es sich dabei um flüchtige, nur Sekunden oder wenige Minuten andauernde Kontakte. Von ’snackbaren‘ Inhalten wird in diesem Zusammenhang häufig gesprochen.

Redaktionell gestaltete Angebote dagegen werden intensiv gelesen. Der E-Paper-Kiosk Readly berichtet, dass seine Nutzer vor allem in der entspannten Zeit zwischen 19 und 21 Uhr auf digitale Zeitschriften zugreifen. Und im Schnitt verwenden sie mehr als 20 Minuten für das Lesen in einer Ausgabe. Aber auch kostenlose redaktionelle Angebote können Leser für lange Zeiträume fesseln. Die App La Presse+, einer französischsprachigen Tageszeitung aus Kanada, verzeichnet werktags täglich eine durchschnittliche Nutzungsdauer von 40 Minuten und am Wochenende nochmals ein Viertel mehr.

Der Autor

Markus Schöberl
Markus Schöberl
Markus Schöberl hat fast 15 Jahre im Pressevertrieb auf Verlagsseite gearbeitet und dort viel über die unterschiedlichen Prioritäten von Zeitungen und Zeitschriften, in Abo und Einzelvertrieb und zuletzt auch beim Vertrieb digitaler Presse (Paid Content) erfahren. Seit 2013 veröffentlicht er einmal monatlich pv digest, eine Analyse der wichtigsten Entwicklungen in diesen Bereichen. Darüber hinaus berät er ausgewählte Verlage und Vertriebsunternehmen in Vertriebsfragen, hält Vorträge und moderiert Veranstaltungen zu seinen Themen.