Die Beziehung von Facebook zu Verlagen ist seit Tag eins kompliziert. Einerseits verspricht die Präsenz von Nachrichtenanbietern auf dem weltgrößten Social Network eine weitere Verbreitungsplattform und damit zusätzliche Reichweite. Andererseits saugt der Internet-Gigant von Website-Betreibern Leser und Werbeumsätze ab, weil er sie in seinem Netzwerk hält, so der oft gehörte Vorwurf. Entsprechend war das Erstaunen groß, als sich das Social Network vor zwei Jahren mit einer neuen Initiative auf die Verlage zuzubewegen schien. Mark Zuckerberg stellte Instant Articles vor – ein neues Publishing-Format auf Facebook, das nicht nur schnellere Ladezeiten und ein ansprechendes Layout für die Smartphone-Generation versprach, sondern auch die Steigerung des Traffics und ein neues Partizipationsmodell an den Anzeigenerlösen.

New York Times, Guardian und Forbes haben sich bereits wieder verabschiedet

Bei einem Instant Article wird der Leser allerdings in der Facebook-Welt gehalten: Ein Post auf der Fanpage eines Magazins oder einer Zeitschrift wird direkt im Social Network geladen, statt mit der Verlinkung zur jeweiligen Webseite weitergeleitet zu werden. Der eigentliche Benefit für Verlage: eine lukrativere Monetarisierung. Medienpartnern, die Anzeigen selbst akquiriert hatten, flossen nun die kompletten Werbeeinnahmen zu; im Fall einer Werbevermarktung über Facebook blieben bei den Verlagen nach Abzug einer Gebühr von 30 Prozent immer noch 70 Prozent hängen.

So weit, so interessant. Zum Launch im Frühjahr 2015 konnte der nach Google zweitwertvollste Internetkonzern der Welt hochkarätige Verlage und Medienhäuser wie die New York Times, National Geographic, The Atlantic, NBC, den Guardian, BBC und in Deutschland Bild und Spiegel gewinnen. Ein Jahr später wurden Instant Articles allen Publishern zugänglich gemacht.

Auch die WELT zieht den Stecker

Nach anfänglicher Euphorie und Experimentierfreude machte sich jedoch bald Ernüchterung breit. Ausgerechnet mit der New York Times verabschiedete sich im Frühjahr ein Prestigepartner, der zum Launch dabei war. So hatte die US-Traditionszeitung ihr Instant-Articles-Engagement erst zurückzufahren und dann plötzlich ganz gestoppt.

Andere Verlage folgten: Auch Cosmopolitan, Forbes, Quartz und der Guardian haben sich wenig später wieder aus Instant Articles zurückgezogen. Der Grund dafür: Facebooks Erlösversprechen ging unter dem Strich offenbar nicht auf. Man habe erkannt, dass die Monetarisierung der eigenen Mobilseite mehr Erlöse einbringe, erklärte die NYT gegenüber dem DigiDay.

In Deutschland folgte im Juni die Welt-Gruppe den prominenten Verlagen aus den USA und Großbritannien. Die Monetarisierung habe sich „nicht als zufriedenstellend“ erwiesen, erklärt eine Verlagssprecherin gegenüber dem Branchenportal MEEDIA. Auch bei Gruner + Jahr und der Verlagsgruppe Handelsblatt wurden die Instant Articles-Aktivitäten zuletzt heruntergefahren.

Verhelfen Instant Articles zur Abonnenten-Gewinnung?

Das Instant Article-Experiment muss damit jedoch noch nicht als gescheitert betrachtet werden. So arbeitet Facebook an einer Verknüpfungsmöglichkeit von Instant Articles und Bezahlinhalten, die Publishern künftig als neues Abo-Modell auf dem Social Network zur Verfügung stehen sollen. Leser könnten dann direkt über Facebook Abonnements abschließen.

Wie MEEDIA berichtet, gewinnt BILD durch Instant Articles inzwischen neue zahlende Abonnenten für sein Premium-Angebot BILDplus.  „Wir haben bislang gemeinsam mit Facebook getestet, wie wir die Abo-Gewinnung für BILDplus verbessern können, damit Nutzer mit nur wenigen Klicks Probeabos über Instant Articles abschließen können“, bestätigt Unternehmenssprecher Christian Senft die Ambitionen gegenüber Editorial Media.

Für Verlage wäre damit ein neuer Distributionskanal für den Zukunftsmarkt Paid Content erschlossen, der inzwischen immer größere Verbreitung und Akzeptanz findet. Die Testphase des Abo-Modells innerhalb von Instant Articles hat Facebook kürzlich in Europa und den USA auf Android-Geräten gestartet.

Der Autor

Nils Jacobsen
Nils Jacobsen
Nils Jacobsen ist Wirtschaftsjournalist und Techreporter in Hamburg. Der studierte Medienwissenschaftler und Buchautor („Das Apple-Imperium“ / „Das Apple-Imperium 2.0“ ) berichtet seit 20 Jahren über die Entwicklung der Aktienmärkte und digitalen Wirtschaft: seit 2008 täglich für den Branchendienst MEEDIA, in einer wöchentlichen Kolumne für Yahoo Finanzen und in monatlichen Reportagen für die Marketingzeitschrift absatzwirtschaft. Jacobsen war zudem als Chefredakteur der Portale CURVED, clickfish, US FINANCE und YEALD aktiv.