Die Corona-Krise ist eine Herausforderung, wie sie in der modernen Welt bisher kaum mehr bekannt war. Sie zeigt aber auch: Wenn es in Zeiten großer Verunsicherung drauf ankommt, greifen die Menschen auf vertrauenswürdige Medien zurück. So weisen überregionale Nachrichtenmedien in Deutschland im Zuge der aktuellen Krise rund um das Corona-Virus Covid-19 neue Rekordwerte für ihre Digitalangebote auf. Das zeigt eine aktuelle Analyse der IVW-Nutzungszahlen aus der ersten März-Hälfte 2020.

Nutzung journalistischen Contents steigt in der Krise deutlich an

Bezogen auf die Inlands-Nutzung aller journalistischen Content-Angebote in Deutschland liegt diese im Zeitraum 1. bis 15. März um durchschnittlich 20 Prozent über dem ebenfalls guten Vormonat. Bereits das Sturmtief Sabine mit dem Höhepunkt am 9. und 10. Februar und der Anschlag in Hanau vom 20. Februar führten in diesem Monat zu besonders hohen Zugriffen bei den editorialen Medien. Aber die rasante Entwicklung um das Corona-Virus resultierte bei diesen Angeboten nun noch einmal in neuen Rekordzugriffen.

Noch deutlicher wird dies in der Betrachtung der Angebote von acht ausgewählten überregionalen Nachrichtenangeboten*. Hier stieg die Nutzung in den ersten 15 Tagen des März um 38 Prozent gegenüber dem nachrichtenintensiven Februar 2020. In der ersten Märzhälfte wurden damit knapp 80 Prozent des Visit-Volumens des gesamten Vorjahresmonats erreicht.

Bereits mit den ersten Nachrichten zu drastischen Maßnahmen im Zuge der Covid-Krise in Italien rund um den 23. Februar weist der Nutzungsverlauf hier einen deutlichen Anstieg auf und übertrifft am 27. Februar mit 38 Mio. Visits bei diesen Medien noch einmal den durch den Orkan Sabine bedingten Anstieg vom 10. des Monats (34 Mio. Visits) um 12 Prozent. Ein nie erreichtes Gesamthoch wird dann aber am 15. März mit rd. 59 Mio. Visits für die acht betrachteten Medien erreicht. Dieses Hoch liegt noch einmal um 53 Prozent über dem bisherigen Maximum vom 27. Februar.

Insgesamt liegt die Nutzung vom 1.-15. März um 46 Prozent über den Visit-Zahlen des entsprechenden Vormonats-Zeitraums im Februar. Besonders stark fällt der Zuwachs bei den MEW (+51 Prozent) und den Smartphone-Apps (+47 Prozent) aus. Aber auch die stationären Websites (+34 Prozent) und die Tablet-Apps (+21 Prozent) legen deutlich zu.

Nutzung von Gesundheitsbeiträgen stark gestiegen

Laut IVW-Dashboard des Büro Bardohn, einem Analysetool für die IVW-Daten, wurden in den letzten Tagen Inhalte aus der Kategorie Gesundheit besonders oft genutzt. Der Zuwachs beträgt am 15. März bereits 85 Prozent im Vergleich zum Vormonat Februar 2020. Betrachtet man nur die Nutzung dieser Inhalte-Kategorie über die Smartphone-Apps so steigt der Zugriff sogar um 217 Prozent.

Das Bedürfnis nach sachlicher Information ist nicht zuletzt deswegen hoch, da auch  die Anzahl von Falschmeldungen aus dubiosen Quellen, die insbesondere auch über Social Media verbreitet werden, rund um das Thema Covid-19 stark zugenommen hat.

Vertrauen in Social Media ist sehr niedrig

Eine Studie, die ganz aktuell zwischen dem 6. und 10. März 2020 von Edelman Trust in Deutschland und neun weiteren Ländern speziell zu Informationen zu Covid-19 durchgeführt wurde, kommt zu dem Schluss, dass die Menschen Meldungen, die nur aus sozialen Medien stammen, besonders wenig vertrauen (35 Prozent). Am höchsten hingegen ist das Vertrauen zu Informationen zu diesem Thema bei Mitteilungen des eigenen Arbeitgebers (63 Prozent). Den traditionellen Medien vertrauen beim Thema Corona-Virus über alle Länder hinweg 51 Prozent aller Befragten.

Auch die Edelman Trust-Studie bestätigt die hohe Frequenz der Nutzung von aktuellen Nachrichten zu diesem Thema. So gaben Anfang März rund 70 Prozent der Befragten an, dass sie sich mindestens einmal täglich zum Thema Covid-19 informieren, 33 Prozent suchen mehrmals täglich nach Nachrichten dazu. Es darf davon ausgegangen werden, dass dieser Wert in den letzten Tagen noch weiter angestiegen ist.

Einordnung und Orientierung besonders wichtig

Dass der Wunsch nach Orientierung besonders hoch ist und die Mediennutzer in Deutschland offenbar wissen, wo sie diese finden, berichten auch die Medienanbieter selber.

Besonders wichtig seien aktuell „nach vorne gerichtete Analysen und Einordnung“ so Spiegel Chefredakteur Steffen Klusmann im Branchendienst Horizont.net.

Trotz Verlagerung der Redaktionsarbeit ins Mobile Office berichtet der Spiegel umfassend und tiefgehend und mit einem besonderen Bewusstsein für seine Verantwortung in Krisenzeiten, so Klusmann.

Teilweise gelockerte Paywalls, Sondernewsletter und Spezialseiten

Viele Medien, die in den letzten Jahren ihre Inhalte zunehmend kostenpflichtig gemacht haben, lockern daher für die aktuelle Corona-Berichterstattung ihre Paywalls wieder etwas auf. Das gilt auch für ausländische Medien wie die New York Times oder die Washington Post, die grundlegende Informationen kostenlos gegen Registrierung anbieten. Und eine Reihe von Medien bieten gezielte Newsletter an (z.B. FAZ.net) oder fassen Informationen noch einmal gezielt zusammen (z.B. Zeit Online).

In der Diskussion um die Paywall in Krisenzeiten sind Beobachter entsprechend der Meinung, dass die meisten überregionalen und regionalen Medien ihrem Informations- und Aufklärungsauftrag bislang sehr verantwortungsbewusst gerecht werden.

Die Bedeutung und Rolle, die professionelle Medien, nicht nur, aber insbesondere in Zeiten wie diesen haben, beweist auch ein Schritt des Landes Nordrhein-Westfalen: Journalisten wurden dort am 18. März in die Liste der systemrelevanten Berufe mit aufgenommen. Diese Entscheidung zeigt, wie wichtig auch aus Sicht der Politik unabhängige und professionelle Inhalte und Medien als einordnendes Gegengewicht zu den in Teilen kursierenden Fake News und irreführenden Spekulationen und Mutmaßungen sind.

Autor

Christiane Dähn
Christiane Dähn
Christiane Dähn ist Projektleiterin im Büro Bardohn in Hamburg. Nach ihrem Studium in Betriebswirtschaft und Journalistik an der Universität Hamburg, kümmerte sie sich bei Gruner + Jahr (Stern, Brigitte) und im Zeit-Verlag um Marketing, Anzeigenverkauf, Marktforschung und Verlagsgeschäfte.