Die New York Times (NYT) hat 2020 ihre Vormachtstellung in der Verlagswelt zementiert und kann nach jeder Lesart auf ein denkwürdiges Jahr zurückblicken.
Warum, dokumentierte eindrucksvoll die jüngste Quartalsbilanz, die der 169 Jahre alte Verlagsgigant Anfang November vorlegte und dabei wieder einmal die Erwartungen der Wall Street trotz des negativen Umfelds deutlich übertraf. So konnte die „Gray Lady“ zwischen Anfang Juli und Ende September ihren Nettogewinn um 28 Prozent auf bereits 56,5 Millionen Dollar steigern. Die Umsätze blieben mitten in der Corona-Pandemie mit einem marginalen Minus von gerade mal 0,4 Prozent erstaunlich stabil.
Digitales Werbewachstum trotz aller Corona-Widrigkeiten
Ein Ausrufezeichen setzte dabei das digitale Anzeigengeschäft, das trotz der allgegenwärtigen Krisenstimmung um respektable 13 Prozent zulegte und bereits 47,8 Millionen Dollar erlöste. Insgesamt erzielt die New York Times Company bereits 60 Prozent ihrer Werbeerlöse digital.
Über 7 Millionen regelmäßig zahlende Leser
Haupttreiber der Geschäftsentwicklung ist unterdessen wieder einmal das enorme Abonnentenwachstum der Online-Edition. So konnte die New York Times im dritten Quartal weitere 393.000 Digitalabonnenten verbuchen. Seit Jahresbeginn ist die Zahl gar um 1,65 Millionen auf nunmehr 6,1 Millionen Digital-Only-Abonnenten angewachsen. Inklusive der Printausgabe bringt es die NYT per Oktober bereits auf mehr als 7 Millionen regelmäßig zahlende Leser.
Der stetige Zuwachs beschert der neuen CEO Meredith Kopit Levien zu Beginn ihrer Amtszeit – die 49-Jährige übernahm den Vorstandsposten im September von Mark Thompson – gleich einen Meilenstein. Erstmals seit Einführung vor neun Jahren setzte die NYT in einem Quartal mit Digital-Abos (155,3 Millionen Dollar) mehr um als mit Print-Abos (145,7 Millionen Dollar).
12 bis 13 Millionen Abonnenten bis 2025….
Angesichts der dynamischen Entwicklung der Digitalstrategie fragt sich die Wall Street, wie weit die für viele „beste Zeitung der Welt“ ihr Abonnentenwachstum eigentlich noch steigern kann. Nach Einschätzung von J.P. Morgan sehr weit: „Nach unserer Meinung hat die New York Times eine einzigartige Möglichkeit, ihre zahlende Leserschaft im wachsenden globalen Premium-News-Markt zu vergrößern“, befand Analyst Thomas Yeh in einer Kurzstudie im Oktober.
Nach seiner Einschätzung besitzt die NYT das Potenzial, die Zahl der Digitalabonnenten bis zur Mitte des laufenden Jahrzehnts auf 12 bis 13 Millionen mehr als zu verdoppeln. Der langjährige CEO Mark Thompson hatte bis 2025 noch den Meilenstein von 10 Millionen Digitalabonnenten ausgegeben.
…und 24 Millionen Abonnenten bis 2030?
Seine Nachfolgerin Meredith Kopit Levien denkt unterdessen bereits bis zum Ende der Dekade. „Wir glauben, dass in den nächsten Jahren zumindest 100 Millionen Menschen für englischsprachigen Journalismus in Form eines Digital-Abos bezahlen werden“, erklärte Levien auf ihrer Antrittskonferenz als CEO im September bei Goldman Sachs. Die Hälfte davon entfalle davon auf die USA, die andere auf den Rest der Welt.
Entsprechend groß scheint das Potenzial für den Branchenprimus. „Mit 6,5 Millionen Abonnenten (Stand Ende des zweiten Quartals 2020) befinden wir uns bei gerade sechs Prozent des gesamten Marktes. Ich glaube, es ist nicht schwer, sich vorzustellen, dass die New York Times bis 2030 einen zwei-, drei-, viermal so großen Marktanteil wie heute einnimmt, während für Verlage weiter viel Raum besteht, mit Qualitätsjournalismus Erfolg zu haben“, zeichnet Levien eine rosige Zukunft – nicht zuletzt, weil sich das digitale Abo-Modell nach dem Vorbild von Netflix und Spotify durchgesetzt habe. Die US-Renommeezeitung von der Eighth Avenue stünde demnach vor einer weiteren goldenen Dekade…