Mit 348 Millionen verkauften Exemplaren pro Jahr sind Programmtitel die auflagenstärksten Zeitschriften in Deutschland, wie eine auf IVW-Daten basierende Analyse im Editorial Media Factbook 2022 zeigt. Bemerkenswert auch: Das Ranking der meistverkauften freiverkäuflichen Titel wird im 1. Quartal dieses Jahres von fünf Programmzeitschriften angeführt. Der Anteil der „harten“ Auflagensparten EV und Abo fällt zudem höher aus als in manchen anderen Segmenten des Zeitschriftenmarktes. Dennoch liegen Programmzeitschriften in der Werbestatistik nicht an der Spitze. Werden sie womöglich als Werbeträger zu Unrecht unterschätzt?

Nun ist das Fernsehen bekanntlich im Umbruch – wie die Medienlandschaft insgesamt. Ein aktuelles Bild liefert der Programmzeitschriften Report 2021, herausgegeben vom Vermarkter Funke Media Sales. Mit einer repräsentativen Online-Befragung von 1.010 Programmzeitschriften-Lesern zwischen 20 und 79 Jahren erforschte das Kölner Institut Respondi AG Gewohnheiten, Einstellungen und Wünsche. Für die Quotierung dienten Daten aus der Markt-Media-Studie best for planning (b4p). Die Geschlechter sind ungefähr paritätisch vertreten (53 Prozent Frauen, 47 Prozent Männer), das Durchschnittsalter liegt bei 54 Jahren.

Intensive Nutzung und viele Mitleser

Innerhalb einer Woche wird eine Programmzeitschrift im Mittel gut sieben Mal zu Hand genommen. Die Streuung um diesen Mittelwert ist beträchtlich. Das ist plausibel: Schließlich dürfte auch die wöchentliche Fernsehdauer innerhalb der Leserschaft stark variieren. Für ein Drittel der Leser beginnt die Nutzung bereits am Erscheinungstag, für die Hälfte zwischen Erscheinungstag und erstem Programmtag und für weitere 14 Prozent direkt am ersten Programmtag. Zwei von drei Lesern geben an, die Zeitschrift werde innerhalb des Haushalts von weiteren Personen genutzt. In 50 Prozent der Fälle handelt es sich um eine weitere Person. 12 Prozent, weisen auf zwei Mitleser hin, und fünf Prozent sogar auf drei oder mehr. Als Leseort dominiert das eigene Zuhause – der Ort, an dem man entspannt seine Freizeit plant – und an dem eben in der Regel auch der Bewegtbildkonsum stattfindet. Jeder zweite Leser gibt an, mindestens drei Viertel aller Seiten zu lesen. Ein Drittel liest sogar (fast) alle Seiten.

Hohes Interesse auch jenseits des Programmteils

Informationen zum täglichen Programm der einzelnen TV-Sender stellen die Basisleistung einer Programmzeitschrift dar. Kein Wunder, dass 93 Prozent der Leser sie wichtig oder sehr wichtig finden (Grafik unten). Hohe Relevanz haben in den Augen der Leser aber auch viele Beiträge, die außerhalb des schematisch aufgebauten Programmteils platziert sind – auf Seiten also, die im internen Jargon der Redaktionen zum „Mantelteil“ zählen. Hier können nicht nur film- und fernsehbezogene Beiträge mit hoher Zuwendung rechnen, sondern auch Reportagen und Ratgeber aller Art. Überdurchschnittlich viele Nennungen entfallen auf Beiträge zur Gesundheit, Natur und Umwelt, auf Beiträge über kulinarische Genüsse, sowie auf Kultur- und Wissenschaftsthemen.

Informationsbedarf auch jenseits des linearen Fernsehens

Die Pandemie hat einen Digitalisierungsschub mit sich gebracht. Dadurch haben Mediatheken und Streamingdienste zweifellos an Bedeutung gewonnen. Insgesamt 73 Prozent der Leser würden gern Infos zu deren Programmangeboten in ihrer Zeitschrift finden. Jeder zweite Leser wünscht sich Infos zu den Mediatheken von ARD und ZDF (Grafik unten). Zu den Bezahlangeboten von Netflix und Amazon Prime wüsste jeder Dritte gern Näheres. YouTube rangiert mit 18 Prozent vor weiteren Bezahlangeboten wie TV Now, Disney+ und Joyn.

Die zeitsouveräne Bewegtbildnutzung konnte das lineare Fernsehen bisher nicht so stark zurückdrängen, wie manche Prognostiker einst geglaubt hatten. Doch Streaming wird weiter zunehmen, und mit der Vielfalt der Filme, Serien und Dokus wachsen die Anforderungen an Programmzeitschriften. Angesichts neuer Herausforderungen dürfte ihnen zugutekommen, dass die Bindung an die jeweilige Zeitschriftenmarke bemerkenswert stark ausgeprägt ist: Nur 25 Prozent der Leser geben laut Programmzeitschriften Report 2021 an, innerhalb des letzten Vierteljahrs auch noch eine oder mehrere andere Programmzeitschriften gelesen zu haben.

Dr. Uwe Sander
Dr. Uwe Sander
Der gelernte Volkswirt arbeitete nach einigen Jahren in der empirischen Wirtschaftsforschung von 1984 bis 2014 in verschiedenen Funktionen beim Verlag Gruner+Jahr, u.a. für die Titel Capital, Stern, GEO und Art. Heute ist er freiberuflich als Autor und Berater tätig. Sein besonderes Interesse gilt der Entwicklung des digitalen Journalismus.