Im Zuge der Digitalisierung hat die Anzahl der Touchpoints – der Plätze für Werbebotschaften – enorm zugenommen. In einer quantitativen Grundlagenstudie mit 18.000 TeilnehmerInnen hat [m]SCIENCE, die Forschungstochter der Group M, nun untersucht, welche Touchpoints für welche Werbeziele besonders geeignet sind. Für die Studie Touchpoint Decoder

  • wurden mehr als 50 Touchpoints aus allen für die Werbewirtschaft wichtigen Bereichen untersucht. Paid Media waren ebenso vertreten wie Owned Media und Earned Media.
  • wurden fünf übergeordnete Werbeziele unterschieden: Vermittlung von Markenwissen, Emotionalisierung, Aktivierung, aktive Information und Kauf.
Eingesetzt wurde ein innovatives Untersuchungs-Design

Die Befragten bewerteten die von ihnen frequentierten Touchpoints im Hinblick auf mehr als 40 einzelne Eigenschaften, zum Beispiel „ist unterhaltsam“ oder „regt mich an, ein Produkt erstmals zu kaufen“. Je unterhaltsamer ein Befragter die Werbung an einem bestimmten Touchpoint wahrnimmt, desto besser ist dieser Touchpoint für das übergeordnete Ziel der Emotionalisierung geeignet. Analog ist die kaufanregende Wirkung gefragt, wenn der Kauf das zentrale Werbeziel ist.

Zum Einsatz kam ein implizites Testverfahren, eine Reiz-Reaktions-Messung. Das Verfahren misst die Spontanität einer Entscheidung. Auf eine Aussage wie: „Werbespots im Feed von Instagram sind unterhaltsam“, konnte der Befragte per Klick entscheiden: „Passt“ oder „Passt nicht“. Je schneller der Befragte reagiert, umso höher die Bewertung.

Die Wahl des richtigen Touchpoints verstärkt die Werbewirkung

Anhand von Beispielen zeigen die Forscher, dass Touchpoints nicht nur Träger von Werbebotschaften sind, sondern – richtig eingesetzt – auch positiven Einfluss auf die Werbewirkung haben.

  • Pinterest wirkt besser als Instagram und Facebook. Werbespots bei Pinterest sind z. B. „unterhaltsamer“, „inspirieren“ stärker und machen mehr „Lust auf das Produkt“ als Spots im Feed von Instagram oder Facebook.
  • Podcast-Werbeform Host-Read ist der wirksamste Audio-Touchpoint. Bei ihnen gibt es in der Regel eine gute inhaltliche Passung zwischen dem beworbenen Produkt und dem Inhalt des Podcast und anderseits haben die Hörer eine starke Bindung zum Host.
  • Prospekte sowie Anzeigen in Zeitungen und Zeitschriften sind besonders vertrauens- und glaubwürdig. Sie wirken in dieser Hinsicht besser als Photo Ads in Social Media und Online Display Ads.
Ein Vorurteil gegen Print wird spektakulär entzaubert

Besonders bemerkenswert ist, dass die Studie ein altes Vorurteil widerlegt: Bisher galt vielen Werbeleuten als sicher, dass eine Emotionalisierung der Konsumenten nur mit Hilfe von Bewegtbild erreicht wird. Doch laut Touchpoint Decoder sind Anzeigen in Zeitschriften und Bewegtbild-Touchpoints im Hinblick auf „Unterhaltung“ ungefähr gleich gut geeignet. Das zeigen die Indexwerte von 107 bei den Jüngeren und 99 bei den Älteren (Grafik unten). Deutlich überlegen sind Printanzeigen bei der Generierung von Markenbindung. Bei den Älteren arbeitet Print um 23 Prozent besser (Index 123), bei Jüngeren sogar um 30 Prozent (Index 130). Dass die Informationsvermittlung in Printanzeigen besser als in der Bewegtbild-Werbung gelingt – der Printvorsprung liegt laut Touchpoint Decoder bei einem Fünftel – entspricht den üblichen Erwartungen und Plausibilitätsüberlegungen.

Die Ergebnisse sind für alle Werbetreibenden und Branchen anwendbar sein, da die Studie eine generische Bewertung je Touchpoint liefert. Die Forscher von [m]SCIENCE empfehlen die Integration der Daten in die Planungstools der Agenturen, sodass der Touchpoint Decoder als zusätzlicher KPI in der Mediaplanung dienen kann.

Dr. Uwe Sander
Dr. Uwe Sander
Der gelernte Volkswirt arbeitete nach einigen Jahren in der empirischen Wirtschaftsforschung von 1984 bis 2014 in verschiedenen Funktionen beim Verlag Gruner+Jahr, u.a. für die Titel Capital, Stern, GEO und Art. Heute ist er freiberuflich als Autor und Berater tätig. Sein besonderes Interesse gilt der Entwicklung des digitalen Journalismus.