Interview mit Arne Kirchem, Media Director DACH, Unilever Deutschland Holding GmbH

Als Media Director bei Unilever Deutschland sind Sie für die Mediastrategie von gut 50 Marken in der DACH-Region verantwortlich. Was hat sich in den letzten Jahren aus Ihrer Sicht verändert?  

Insgesamt sind Mediastrategien viel komplexer geworden. Es gibt eine Vielzahl digitaler Kanäle, die sich zu den klassischen gesellen – mit mehr Spielmöglichkeiten, anderen Zielen und Herausforderungen. Früher haben wir zum Beispiel „Digital“ als einen Kanal aufgefasst, heute ist es eine Art Gattungsüberschrift mit völlig unterschiedlichen Kanälen. Und die Interdependenzen zwischen den Kanälen sind viel mehr zu bedenken. So wird zum Beispiel Print in Online verlängert, bei TV gibt es die Mediatheken und bei vielen Medien gibt es eine enge Verbindung zu Suchmaschinen. Das bedeutet, dass sich viele neue Möglichkeiten, aber auch sehr große Herausforderungen ergeben. Zudem nimmt die Veränderungsgeschwindigkeit zu: Erkenntnisse, die einmal gewonnen wurden, müssen immer wieder überprüft werden.

Welche Anforderungen müssen Medien aus Ihrer Sicht als Werbungtreibender in Zukunft erfüllen?

Ein ganz wesentlicher Punkt ist die Messbarkeit mit vergleichbaren KPI. Wenn der Media-Mix komplexer wird, werden Steuerungsgrößen benötigt, um den Einsatz der verschiedenen Kanäle optimal aufeinander abzustimmen. Am besten wäre ein vergleichbarer CPM und eine Möglichkeit, Interdependenzen zu messen. Hier wünschen sich die Werbungtreibenden noch mehr Fortschritte in den Joint Industry Committees. Das zweite große Thema ist Brand Safety und Suitability, hier kommen zum einen die sicheren, zum anderen die passenden Umfelder ins Spiel.

Brand Safety bekommt einen immer höheren Stellenwert, gleichzeitig ist durch die Themen „Fake news“ und den Cambridge Analytica-Skandal Vertrauen von Mediennutzern verloren gegangen. Wie finden Sie die sicheren Umfelder für Ihre Kommunikationsmaßnahmen?

Brand Safety ist für uns in der Tat sehr wichtig, daneben sprechen wir auch gern über Brand Suitability. Vereinfacht gesprochen ist Brand Safety für uns die Antwort auf die Frage, wo wir auf keinen Fall sein wollen, während Brand Suitability die Antwort auf die Frage ist, was passt, wo möchten wir gerne sein. Zunächst einmal schließen wir mit ziemlich umfangreichen Verfahren aus, wo wir auf keinen Fall erscheinen wollen. Netzwerke, wo wir das nicht sicherstellen können, belegen wir nicht. Und dann definieren wir zusätzlich die Umfelder, in denen wir bevorzugt erscheinen wollen. Eine Marke wie Ben & Jerry`s hat da sehr genaue Vorstellungen.

Grundsätzlich gehen wir davon aus, dass die Aufnahme einer Botschaft in einem passenden Umfeld besser ist. Für ein Produkt wie Rama Cremefine können wir das, beispielsweise für die Platzierung im Umfeld von Rezepten passend zur Erdbeerzeit, in den entsprechenden Print-Magazinen auch belegen.

Welche Chancen bieten Ihnen da die Editorial Media Angebote der Verlage?

Die Verlage haben für uns den Vorteil, dass wir vor allem im Offline-Bereich genau wissen, womit wir rechnen können. Auch im Online-Bereich können wir von einer hohen Brand Safety und Suitability ausgehen. Eine Ausnahme von der Planbarkeit stellt hier verständlicherweise aber der Bereich der aktuellen Nachrichten dar.

Die für unsere Planung relevanten Informationen benötigen wir rechtzeitig bei der Buchung unserer Werbemittel und die Kriterien müssen durch Whitelisting, Blacklisting oder andere Methoden von uns vorher festgelegt werden.

Haben Umfelder auch in Zeiten automatisierter Werbung eine andere Bedeutung bekommen?

Programmatic Advertising gibt uns zunächst mal die Möglichkeit den Kontext vorzugeben, zum Beispiel hinsichtlich Wetter, Zeit oder Ort. Zudem können wir auch auf bestimmte Keywords abzielen und auch themenbezogen das Umfeld planen. Es gibt immer bessere Tools und stets neue Möglichkeiten in diesem Bereich. Gleichzeitig wird dieses Thema immer komplexer. Ich glaube, an der grundsätzlichen Relevanz von Umfeldern hat sich dadurch nichts geändert.

Welche Bedeutung messen Sie den klassischen Medien im Media-Mix der Zukunft bei?

Den Schwanengesang auf Print, den man schon sehr lange hört, den teile ich nicht. Die Vielfalt am Kiosk und viele tolle Erfolgs-Stories von neuen Magazinen sprechen dagegen. Aber man darf auch nicht die Augen davor verschließen, dass der Auflagentrend in vielen Fällen nach unten zeigt. Bei TV ist die Frage, wie sich der Bereich Adressable und Smart TV entwickelt. Vielleicht sprechen wir hier bald nur noch vom kleinen mobilen Bildschirm und vom großen Bildschirm. Hier verwischt die Technologie die scharfen Trennlinien, die wir bisher kannten. Auch Außenwerbung erfindet sich gerade neu und kann in Teilen schon programmatisch gebucht werden. Ebenso entwickelt sich das Radio weiter.

Die Anzahl neuer Magazine ist in den letzten Jahren gestiegen. Von Lafer Journal über Barbara bis hin zu Achtsamkeits-Magazinen wie „Ma Vie“ ist für jeden Geschmack etwas dabei. Wie nutzen Sie die neuen redaktionellen Umfelder für Ihre Marken?

Der Vorteil liegt darin, dass ich eine Reihe von Umfeldern habe, in die ich meine Kampagnen sehr passend platzieren kann. Auch spitzere Zielgruppen lassen sich dadurch ansteuern. Wir bekommen daher auf der einen Seite immer mehr und spezifischere Umfelder, so dass wir immer besser differenzieren können. Gleichzeitig wird die Print-Planung dadurch aber immer komplexer, was durchaus auch eine Herausforderung sein kann.

Die Verlage bieten hier zwar schon Unterstützung an, aber es ist weiterhin unerlässlich, dass sich der Brand Manager mit diesen Themen auseinandersetzt. Dadurch lassen sich in der Praxis nicht immer alle Chancen der differenzierten Ansprache nutzen. Vielleicht werden uns in Zukunft auch dort intelligente Tools noch besser unterstützen können.

Welche Themen sollten Verlage in Zukunft noch erkunden, zum Beispiel durch die Gründung neuer Magazine? Was fehlt aus Ihrer Sicht?

Es gibt ja schon eine enorme Vielfalt, so dass ich persönlich denke, das größere Potential liegt darin, innerhalb der bekannten Themengebiete die Art der Ansprache zu verändern, wie das gerade einige der erfolgreichen Magazin-Neuerungen der letzten Jahre getan haben. Und die Verbindung von Offline und Online noch weiter zu treiben ist aus meiner Sicht auch ein ganz wichtiges Thema.

Zur Person

Arne Michael Kirchem ist seit Februar 2014 Media Director DACH der Unilever Deutschland Holding GmbH in Hamburg. Nach dem Studium der Betriebswirtschaftslehre und der politischen Wissenschaften an der Universität Kiel begann er seine Laufbahn bei Unilever als Trainee. Seitdem verantwortet er dort in führenden Marketingpositionen den Marktauftritt der Konsumgütermarkten – von Pflegeprodukten bis hin zu Speiseeis. Er engagiert sich zudem im Vorstand des OWM, der Organisation Werbungtreibende im Markenverband, für die Interessen der werbungtreibenden Unternehmen in Deutschland.

Der Autor

Christiane Dähn
Christiane Dähn
Christiane Dähn ist Projektleiterin im Büro Bardohn in Hamburg. Nach ihrem Studium in Betriebswirtschaft und Journalistik an der Universität Hamburg, kümmerte sie sich bei Gruner + Jahr (Stern, Brigitte) und im Zeit-Verlag um Marketing, Anzeigenverkauf, Marktforschung und Verlagsgeschäfte.