Vor vier Jahren veröffentlichte Francesco Marconi, damals Strategiechef der Nachrichtenagentur Associated Press, seinen Artikel „The rise of homeless media“. Es könnte sein, so die These, dass Medien bald keine eigene Websites und Apps mehr benötigten, weil sie ihre Inhalte über Plattformen wie Facebook Instant Articles und  Snapchat Discovery verbreiten würden. Auch bei uns wurde über den „Tod der Homepage“ spekuliert.

Seitdem ist viel Zeit vergangen und die Einschätzungen haben sich geändert. Eine neue globale Studie unter dem Titel „Trust in News“ belegt nun, wie eminent wichtig eigene Kanäle für das Vertrauen der Nutzer in den Nachrichtenjournalismus sind. Und dass – dem Halo-Effekt sei Dank – ein beachtlicher Teil dieses Vertrauens auf die kommerziellen Botschaften von Werbekunden übertragen wird.

Havas-Studie: „Trust in News“

Die Stichprobe der von Kadence International durchgeführten Online-Befragung bestand aus 5.509 Personen, die regelmäßig Nachrichtenmedien nutzen. Sie entsprachen nach Alter, Geschlecht und Einstellungsmerkmalen einem Querschnitt der Online-Bevölkerung in Nordamerika, fünf westeuropäischen Ländern und vier Ländern des asiatisch-pazifischen Raumes. Einbezogen wurden sieben globale und 72 nationale Nachrichtenmarken –  jeweils mit den verschiedenen Kanälen, in denen sie publizieren. So waren aus Deutschland unter anderem Die Zeit, F.A.Z. und Bild mit ihren Print- und Digitalangeboten dabei.

Die gleichen redaktionellen Inhalte werden je nach Umfeld unterschiedlich wahrgenommen

Wenn redaktionelle Inhalte auf dem eigenen Kanal einer Medienmarke gezeigt wurden, stuften 80 Prozent der Testpersonen sie als vertrauenswürdig ein. Werden dieselben Inhalte auf einer Social-Media-Plattform präsentiert, so vertrauten ihnen nur 57 Prozent. „Vertrauen benötigt eine Heimat – daher sind eigene Kanäle mit einer nachvollziehbaren und transparenten Historie zum Vertrauensaufbau wichtig“, so Morten Malmbak, Director Strategy, New Business & Marketing bei Havas Media Germany, über dieses Ergebnis.

Intuition spielt bei der Bewertung eine große Rolle

Bemerkenswert ist, dass die Nutzer ihr Urteil über die Social-Media-Variante intuitiv fällten. Das zeigte ein sogenannter impliziter Assoziationstest (IAT). Der IAT ist ein in der Sozialpsychologie etabliertes Verfahren, mit dem eine Assoziation gemessen werden kann.

Den Befragten in der Studie wurden redaktionelle Inhalte am Bildschirm gezeigt und sie mussten jeweils entscheiden, ob sie das Gesehene vertrauenswürdig fanden. Ohne dass die Testpersonen es wussten, wurde ihre Reaktionszeit in Sekundenbruchteilen gemessen. Ergebnis: Das Urteil über die Social-Media-Variante wurde deutlich schneller gefällt, das heißt intuitiv, gleichsam „automatisch“.

Der IAT weist in diesem Fall darauf hin, dass das Konzept „Skepsis“ mit dem Konzept „Social Media“ unbewusst stärker verknüpft wird als mit dem Konzept „Editorial Media“. Dieser Teil der Studie wurde für die globalen Nachrichtenmarken (New York Times, Wall Street Journal, Guardian, Economist, Reuters, CNN, BBC) und für zwei Social-Media-Plattformen (Facebook und Linkedin) durchgeführt.

Der Halo-Effekt überträgt große Teile des Medienvertrauens in Werbevertrauen

Zur Ermittlung des Halo-Effekts bezog die Untersuchung auch alle nationalen Nachrichtenmedien mit ihren Kanälen ein: Im ersten Schritt wurde dazu  je Medium und Kanal das Vertrauen in den redaktionellen Inhalt erfragt. Dabei kamen die Printangebote auf einen durchschnittlichen Vertrauenswert von 69 Prozent.

Im zweiten Schritt wurde den Testpersonen am Bildschirm Werbung je Medium und Kanal eingespielt. Durchschnittlich 58 Prozent gaben daraufhin an, den Anzeigen in den Printmedien Vertrauen zu schenken. Daraus errechnet sich ein kräftiger Halo-Effekt: 83 Prozent des Medienvertrauens werden in Werbevertrauen überführt. Die Transferrate fiel in den anderen Kanälen niedriger aus: 76 Prozent in den TV-Kanälen und 73 Prozent in den digitalen Angeboten.

Wie solche Ergebnisse in die tägliche Arbeit von weltweit agierenden Mediaagenturen einfließen, beschreibt Morten Malmbak folgendermaßen: „Aus unserer Sicht unterstützt ein kultureller Fit die Werbewirkung, daher sollte grundsätzlich auf einen Fit zwischen der Botschaft, der Zielgruppe, dem Ziel der Kampagne und den eingesetzten Medien geachtet werden. Für Havas Media und unsere Kunden ist es wichtig zu verstehen, wie die Wirkung einer Botschaft durch das Medium beeinflusst wird. Auf Basis unserer Erkenntnisse haben wir eigene Planungstools entwickelt, mit denen wir außerhalb der klassischen Leistungswerte auch Faktoren aus den Bereichen Kontext, Relevanz, Qualität und Aufmerksamkeit berücksichtigen können.“

Weitere Studien belegen Uplift bei der Werbewirkung

Diese Ergebnisse sind kompatibel mit Befunden aus anderen Studien: So hatte kürzlich das US-Unternehmen Integral Ad Science eine Studie unter dem Titel „The Halo Effect“ vorgelegt. Darin kamen die Forscher zu dem Schluss, dass Anzeigen auf Websites mit hochwertigen redaktionellen Umfeldern von den Nutzern um 74 Prozent positiver empfunden wurden als Anzeigen in anderen Umfeldern.

Journalistische Qualitätsumfelder verbessern die Werbewirkung deutlich. Das ist auch das zentrale Ergebnis einer Studie der Quality Alliance, der Initiative aus Frankfurter Allgemeine Zeitung, Handelsblatt, Süddeutsche Zeitung und Die Zeit, die die Frage untersucht, ob das Umfeld einer Qualitätsmedienmarke die Wahrnehmung von Werbung in diesem Umfeld beeinflusst.

Weitere Studien rund um die Bedeutung journalistischer Medien als Werbeträger finden Sie in der Studiendatenbank.

Dr. Uwe Sander
Dr. Uwe Sander
Der gelernte Volkswirt arbeitete nach einigen Jahren in der empirischen Wirtschaftsforschung von 1984 bis 2014 in verschiedenen Funktionen beim Verlag Gruner+Jahr, u.a. für die Titel Capital, Stern, GEO und Art. Heute ist er freiberuflich als Autor und Berater tätig. Sein besonderes Interesse gilt der Entwicklung des digitalen Journalismus.